Kleve/Kalkar/Xanten Wanderung für ein grenzenloses Europa

Kleve/Kalkar/Xanten · Claudia Zeiske und ihr Mann Nick May wandern von Schottland aus, wo sie wohnen, bis nach München, um die Mutter zu besuchen. Ein Marsch gegen den Brexit. Von Kleve über Kalkar kamen sie gestern nach Marienbaum.

 Claudia Zeiske und Nick May haben ein Eichenblatt als Andenken gesammelt: "8. August 2017, Schloß Moyland, between Kleve - Kalkar"

Claudia Zeiske und Nick May haben ein Eichenblatt als Andenken gesammelt: "8. August 2017, Schloß Moyland, between Kleve - Kalkar"

Foto: Reichwein

Die Wallfahrtskirche St. Mariä Himmelfahrt in Marienbaum ist seit dem Brand vor ein paar Monaten geschlossen. Das Gnadenbild "Maria, Zuflucht der Sünder" ist an einem sicheren Ort. Gestern Mittag näherten sich zwei Wanderer dem neugotischen Gotteshaus am Jakobsweg von Nijmegen über Xanten nach Köln. Claudia Zeiske und ihr Mann Nick May haben sich Anfang Juli in ihrem Wohnport Huntly im Norden Schottlands ihre Rucksäcke auf den Rücken geschnallt und sind losmarschiert. Mit 22 Kilo Gepäck. Nach Tagestouren zwischen 20 bis 50 Kilometer wollen die Wanderer nach rund 1800 Kilometern Ende September am Ziel sein. In Unterpfaffenhofen bei München. Dort, wo die 57-Jährige aufgewachsen ist, möchte sie ihre 86-jährige Mutter Gertraud besuchen. "Von Zuhause nach Zuhause" hat sie ihre Wanderung getitelt. Sie nennt es zwar privates Projekt. Aber es soll auch eine persönliche Kunst-Aktion gegen den Brexit sein.

Claudia Zeiske lebt seit Mitte der 80er Jahre auf der Insel und leitet im 4000-Seelen-Dorf Hutly eine Künstler-Gesellschaft. Sie managt Projekte, die Künstler aus der ganzen Welt in Hutly realisieren - im gesamten Ort, der den Kreativen viel Raum lässt, sich auszudrücken - auf ihre jeweilige Art. "Room to roam" - der kleine Schriftzug steht programmatisch neben dem stilisierten Geweih der Gordon Highlanders unter dem Aufdruck Huntly auf ihrem knallroten T-Shirt, das sie jeden Abend wäscht, um es beim Start zur nächsten Etappe wieder überzustreifen.

Nun nimmt sie sich die Freiheit zu wandern - ohne Zügel für Körper und Geist. "Ich bin auf digitaler Entgiftungstour", sagt sie. Sie habe eine Auszeit vom stressigen Kunstmanagement genommen. Ihr Arbeitgeber habe sein Okay gegeben und zahlt das Gehalt weiter. Unter einer Bedingung. Sie musste sich ein Projekt ausdenken. So entstand die Idee zur Wanderung, die ein Zeichen setzen will - "gegen den Brexit". Weniger ein politisch motivierter Demonstrationsmarsch als eine Kunst-Aktion für ein "Europa ohne Grenzen". Es sei eine glückliche Fügung gewesen, dass der Weg über Schloss Moyland geführt habe, wo Beuys' Werke gehütet werden wie ein Schatz. "Joseph Beuys ist ein Gott für mich", sagt Claudia Zeiske. Sie habe von den 7000 Eichen, die der Künstler aus Kleve in der 80ern bei der Documenta in Kassel gepflanzt habe, Eicheln mit auf die Insel gebracht. 100 Jahre nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges habe sie zusammen mit einer französischen Künstlerin diese in schottische Erde gelegt, um ein Friedenswäldchen zu pflanzen. Eichenblätter hat sie stets in der Tasche, um auf ihrem "Heimweg" jedem ihrer Gastgeber eines als Zeichen des Friedens zu überreichen. Eine schöne Geste. Wie selbstverständlich ein Länderwechsel ohne Schlagbaum sein kann, haben die beiden Wanderer fast unbemerkt festgestellt, als sie vor drei Tagen irgendwo zwischen Kleve und Kalkar tief im Reichswald die Niederlande hinter sich gelassen hatten. "Als ich einen Hochsitz entdeckt habe, wusste ich gleich, dass wir in Deutschland sind", sagt Zeiske, die unterwegs Schafswolle aufsammelt, um daraus dann Freundschaftsbänder zu spinnen. Die Wanderer, die, wenn sie bei Freunden oder Bekannten übernachten, in der Regel einen Ruhetag einlegen, haben bereits einen Tag rausgeholt. Das niederrheinische Wetter mit Wolken bei Temperaturen um die 20 Grad sei "ideal zum Wandern".

"Es wundert mich, dass hier mehr mit dem Rad als zu Fuß unterwegs sind", sagt die Deutsch-Schottin. "Aber vielleicht kommt der Brexit ja auch nicht", orakelt Nick May ("wie Theresa") im Schatten der Wallfahrtskirche. Hier darf man auf ein Wunder hoffen.

(bp)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort