Kranenburg Weltwirtschaft im Kuhstall

Kranenburg · Der Kranenburger Milchbauer Bernhard Thyssen will die Zahl seiner Rinder auf seiner Hofstelle von derzeit 598 auf 1074 erhöhen. Neben einem neuen Stall plant er auch den Bau einer Biogasanlage. Der Naturschutzbund lehnt das Projekt ab.

 Die Großfamilie Thyssen im "alten" Kuhstall: Andreas Thyssen mit Hofhund Paula, Christina Hendricks, Melinda Thyssen, Bernhard Thyssen, Stephan Thyssen, Lukas (Zwei Jahre), Simon Thyssen, Madlin Thyssen und die Senioren Peter und Katharina Thyssen.

Die Großfamilie Thyssen im "alten" Kuhstall: Andreas Thyssen mit Hofhund Paula, Christina Hendricks, Melinda Thyssen, Bernhard Thyssen, Stephan Thyssen, Lukas (Zwei Jahre), Simon Thyssen, Madlin Thyssen und die Senioren Peter und Katharina Thyssen.

Foto: Gottfried Evers

Milchbauern klagen derzeit häufig und anhaltend. Wer das nicht verstehe, dem sei ein Blick in die Kühlregale der Supermärkte empfohlen, so die Viehhalter. Denn hier werde der Preiskampf offenbar. Mächtige Discounter würden diktieren, was für den Liter gezahlt wird. Duelle auf dem Weltmarkt könne die deutsche Milch nicht gewinnen. Die Globalisierung ist seit längerem im Kuhstall angekommen. Nach Meinung etlicher Bauern gibt es nur einen Ausweg: Die Menge muss es machen.

Diesen Weg hat der Kranenburger Bauer Bernhard Thyssen (48) bereits vor einigen Jahren eingeschlagen. Er besitzt 598 Rinder (davon 66 Kälber) und will diese Zahl auf seinem Hof auf 1074 (82 Kälber) vergrößern. Neben dem Stall mit den Maßen 110 Meter Länge und 35 Meter Breite, beabsichtigt er, einen zweiten in derselben Größenordnung zu errichten. Zudem plant er den Bau einer Biogasanlage. Die Planungskosten liegen bei drei Millionen Euro. Mit den dann 1074 Tieren würde der Milchviehbetrieb zu den größten im Kreis zählen. Gestern Abend wurde über den von Thyssen beim Kreis eingereichten Antrag auf Erweiterung seines Betriebs im Bau- und Planungsausschuss Kranenburg diskutiert. Die Verwaltung empfiehlt, das Vorhaben zu unterstützen.

Der Vater von Bernhard Thyssen ist auch Bauer. Als er den Hof führte, hatten alle Kühe noch einen Namen. 1965 musste er die überschaubare Zahl von zwölf Wiederkäuern versorgen. Kreislandwirt Josef Peters kann die Geschichten aus den vergangenen und vermeintlich besseren Tagen nicht mehr hören. "Das ist doch alles romantisches Gefasel", sagt er. Die Zeiten seien derzeit so: wachsen oder weichen. "Es geht nicht darum, ob wir damit glücklich sind oder nicht. Es gibt keine Alternative", betont der Kreislandwirt. Discounter wie Aldi würden die Preise bestimmen. 83 Prozent der verkauften Milch seien Billigangebote von 55 Cent pro Liter. "Wenn man bereit ist 1,50 Euro für einen Liter beim Bauern zu zahlen, dann können kleine Betriebe davon leben", weiß Peters. Derzeit werden 28 Cent von den Molkereien pro Liter gezahlt. Tendenz fallend.

Aus Sicht von Bernhard Thyssen sind die Investitionen wirtschaftlich notwendig. Acht Familien, die Festangestellten eingerechnet, müssen von den auf dem Hof erzeugten Produkten leben. Außerdem bringe die Erweiterung nur Vorteile. Die Kühe, die dazu kommen, gehören ihm schon und sind auf vier Hofstellen verteilt. "Ich will sie nur an einen Standort konzentrieren", sagt Thyssen. Zudem produziere die Biogasanlage den Strom allein aus Gülle und Mist. Umweltschädliche Emissionen würden gesenkt. Das sei auch eine Voraussetzungen für die Genehmigung.

Die kann nach Auffassung von Dr. Volkhard Wille jedoch nicht erteilt werden. Wille prüft für den Nabu-Kreisverband Kleve den Antrag. Der Nabu ist an dem Verfahren beteiligt, da die Pläne nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz beurteilt werden müssen. Unabhängig von diesem Verfahren erklärt Wille, dass der Nabu die Entwicklung in der Milchviehhaltung hin zu immer größeren Einheiten von mehr als 1000 Kühen, die aber keinen Weidegang mehr hätten, ablehnt. "Wir sehen andere Möglichkeiten", sagt er. Die Anlage ist aus seiner Sicht nicht genehmigungsfähig. Ein derartiger Betrieb müsse, so Wille, auf seinen eigenen oder langfristig gepachteten Flächen (zwölf Jahre) mehr als 50 Prozent des Futters für die Tiere erzeugen können. Die Voraussetzung sei nicht erfüllt. Mit den Stickstoffeinträgen in die umliegenden Gebiete hat Wille ebenfalls ein Problem. "Da hilft es nicht, ein paar Büsche zu pflanzen. Wir haben in unmittelbarer Nähe FFH-Gebiete und den Reichswald", sagt der Naturschützer. Er weiß aus Erfahrung, dass bei vielen Anträgen zunächst alles als ordnungsgemäß eingestuft wird. "Wenn man sich dann intensiver damit beschäftigt, erkennt man, wo die Klöpse versteckt sind", sagt Wille und ergänzt: "Wir lagen mit unserer Einschätzung bislang immer richtig."

Kreislandwirt Peters kennt den Hof von Thyssen. Regelmäßig bringt er dort Preise für besonders leistungsstarke Kühe vorbei. So gibt es welche, die, bevor sie ihrem Schlachter begegnen, 100.000 Liter Milch gegeben haben. Bernhard Thyssen will die Lebenszeit seiner Tiere auf sechs Jahre verlängern und nicht möglichst schnell möglichst viele Liter aus den Wiederkäuer herausquetschen. Dadurch würde die Lebensleistung der Kuh steigen. Die Milch, die auf dem Hof in Nütterden produziert wird, gehört zur besten Güteklasse in Deutschland. Sie landet in den Tüten der Marke Landliebe. Peters weiß, dass Thyssen mit modernster Technik, streng nach Vorschrift arbeitet und betont: "Die Tiere geben viel Milch, deshalb sind das glückliche Kühe." Thyssens Kühe sind also schon glücklich. Ob die Familien es nach der Entscheidung über den Antrag sein werden, bleibt abzuwarten.

(jan)
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