Kleve Wie Litz das Turmkind von Lamers wurde

Kleve · Der Freundeskreis der Klever Museen hat ein Buch von Litz Kentner über Hanns Lamers und das Kleve der 1960er Jahre herausgegeben.

 Litz Kentner (2.v.l.) war das Turmkind im Koekkoek-Belvedere bei Hanns und Ilse Lamers. Links Wilfried Prowol, neben Kentner Freundeskreisvorsitzende Ulrike Sack und Valentina Vlasic (rechts) vom Museum Kurhaus.

Litz Kentner (2.v.l.) war das Turmkind im Koekkoek-Belvedere bei Hanns und Ilse Lamers. Links Wilfried Prowol, neben Kentner Freundeskreisvorsitzende Ulrike Sack und Valentina Vlasic (rechts) vom Museum Kurhaus.

Foto: Gottfried Evers

Verwegen wie eine Boheme der 1960er Jahre, die Zigarette schräg im Mundwinkel, die Haare im flotten Kurzhaarschnitt, hockt sie vor dem tiefen Regal. Darin ein Buch der Galerie Maywald aus Paris, Kunstdrucke. Litz Kentner wurde als junge Lehrerin 1960 zu ihrer ersten Stelle von Wuppertal nach Kleve versetzt. Für sie eine Katastrophe, für ihre Mutter wunderbar: Die kannte die Kleinstadt am Rande der Republik aus Vorkriegszeiten und war begeistert, aus der "Flüchtlingswohnung" in Wuppertal in die Schwanenstadt zu ihrer Tochter zu ziehen. Die Tochter, ein junges Mädchen "auf der Suche nach sich selbst" (so Kentner über Kentner) fand Kleve fürchterlich: Eine beschauliche Provinzstadt ohne Leben, ohne Anregung. Fernab von ihrer Hochschule, fernab von ihren Freunden und ihrer Musik (sie spielte Violine). Sie begann bei einem pensionierten Lehrer des staatlichen Gymnasiums (heute Stein) ihr Latinum für eine späteres Studium nachzumachen.

Doch zuhause fühlte sie sich nicht. Bis sie "adoptiert" wurde. Von Menschen, deren Foto sie in der Rheinischen Post gesehen hatte. "Oh, das sind ein Künstler und seine Frau! Er ist Trinker und Kommunist - und sie leben in einer Mischehe", warnte ihre Kollegin. Es waren Hanns und Ilse Lamers, die damals im baufälligen Atelierturm von B.C. Koekkoek wohnten. Ein gastfreundliches Haus mit einer offenen Tür, ein Haus, in dem sich die Klever "Szene" traf, ein Haus in dem Beuys, die Galeristen Schmela und Bloch, der Maler Schoofs, der RP-Fotograf Fritz Getlinger ein- und ausgingen. Es war modern, lebendig, weltoffen. Eine Gesellschaft, wie gemacht für die junge Lehrerin, die von den Bildern fasziniert war. Hanns Lamers und seiner Frau Ilse nahmen sie als Findelkind auf und verpassten ihr den Spitznamen Litz. Hanns führte Litz an die Kunst heran, schickte ihr Kunstpostkarten, führte sie in die Künstlerszene ein. Sie lernte Willy Maywald und Pierre Theunissen kennen, besuchte den Klever Vogue-Fotografen in Paris.

Jetzt hat Litz Kentner ihre Erinnerungen an Kleve und die Korrespondenz mit Hanns Lamers aufgeschrieben. Valentina Vlasic und Guido de Werd haben daraus ein kleines Büchlein editiert, mit einem Vorwort von Freundeskreisvorsitzender Ulrike Sack und Texten zu Lamers und Kentner von de Werd und Vlasic. Es ist ein griffiges Taschenbuch im Schuber geworden, das die Zeit zurückdreht in die frühen 1960er Jahre, in die spannend-intellektuelle Atmosphäre im Turm von Hanns Lamers und in das auf der anderen Seite so beschauliche und konservative Kleve. In Layout und Machart (stammt von Marius Schwarz) erinnert das leuchtendrot eingebundene Bändchen auch an die Taschenbücher dieser Jahre.

Dazu sind zwei Drucke aus dem Nachlass von Hanns Lamers erschienen, die der Klever Wilfried Porwol ehrenamtlich in einer 20er Auflage gedruckt hat. Dabei wurden die Farben etwas leuchtender, erklärt Porwol. Zwei schöne Drucke, die 280 Euro pro Exemplar kosten. Das "Urteil des Paris" entstand 1950, das "Muster" 1955. Finanziert wird das Buch vom Freundeskreis der Klever Museen.

(RP)
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