Kranenburg Wo ist hier die Grenze?

Kranenburg · Beim "Tag des Grenzdialogs" steht der Austausch zwischen den Nachbarn im deutsch-niederländischen Raum im Mittelpunkt. Präsentiert wird bei der Veranstaltung das Buch "Pindakaas & Kirschmarmelade".

 Der Gartenzaun ist die Grenze: Deutsche und Niederländer im Kranenburger Wohngebiet Richtersgut.

Der Gartenzaun ist die Grenze: Deutsche und Niederländer im Kranenburger Wohngebiet Richtersgut.

Foto: Marloes Verhoeven

Beim "Tag des Grenzdialogs" steht der Austausch zwischen den Nachbarn im deutsch-niederländischen Raum im Mittelpunkt. Präsentiert wird bei der Veranstaltung das Buch "Pindakaas & Kirschmarmelade".

Die Idee ist eine hervorragende: Das Leben im Grenzbereich anhand von Menschen zu zeigen, die eine besondere Beziehung zum Nachbarland haben. In dem knapp 200 Seiten starken Buch "Pindakaas & Kirschmarmelade - Begegnungen mit deutsch-niederländischen Grenzgängern" haben Marloes Verhoeven (Bilder) und die ehemalige RP-Mitarbeiterin Anne Ribbert (Texte) dies geschafft. Die Präsentation des Werks ist ein Programmpunkt beim Tag des Grenzdialogs im Kranenburger Bürgerhaus (Infos in der Übersicht).

Auf ihrer Reise durch die Region wurden Gespräche mit 24 Menschen geführt, die Inhalt des Werks sind. Mit den Porträts wollen sie dokumentieren, wie sich das Leben im Grenzbereich aus Sicht der Interviewten heutzutage darstellt und in welcher Beziehung sie zum Nachbarn stehen. Herausgekommen ist dabei eine Schrift, die "neue Welten erschließt", urteilt Professor Dr. Henk van Hotum von der Radboud Universität Nimwegen.

Gelungen ist die Auswahl der Personen, die in der Publikation vorgestellt werden. So kommt die niederländische Familie, die wie viele wegen des günstigen Baulands nach Kranenburg zog, ebenso zu Wort wie die deutsche Grundschulrektorin, die in den Niederlanden lebt. Aber auch der tief in der Gemeinde verwurzelte Bürgermeister, der grenzübergreifend denkt, stellt seine Ansichten dar.

Zu einem gelungenen Kapitel gehört das über die Familie Zillig, deren Leben von der Grenze geprägt ist. Irmgard Zillig wohnte in Wyler genau auf der Grenzlinie. Ging sie die Haustüre hinaus, war sie in Deutschland; beim Verlassen des Gebäudes durch die Hintertür stand sie in den Niederlanden. Jetzt wohnt sie mit ihrem Mann Hubert in Grafwegen.

Das Buch ist keineswegs darauf aus, allein das Bild eines harmonischen Miteinanders zu zeichnen. So werden auch Stimmen laut, die sich etwa über den enormen Zuzug der Niederländer beklagen und dem damit einhergehenden Verlust ihrer Identität. Auch werden in dem Werk die klassischen Vorurteile zwischen Deutschen und Niederländern thematisiert. So hasst etwa der Niederländer Theo Giesbers, ehemaliger Grundschulrektor und Beigeordneter im Rat, Fußballweltmeisterschaften. Der Fußball würde alles kaputtmachen, so Giesbers. Demnach zu urteilen sind die Nationalmannschaft und die Elftal als jeweiliges Feindbild weiterhin unschlagbar. Ressentiments aufgrund des Zweiten Weltkriegs spiegeln sich in den Aussagen von Interviewten ebenso wieder wie etwa ein ausgeprägtes Statusdenken der Deutschen. So erzählt ein niederländisches Paar: "...Als man am Informationsschalter erkannte, dass wir beide studiert hatten, durften wir in einem anderen Raum Platz nehmen, und man bot uns eine Tasse Kaffee an..." Die aus dem Buch wiedergegebene Szene spielte sich in einer Bank ab. Auch heißt es in dem Buch wenig überraschend: Niederländer seien lockerer, weil sie lieber duzen und zu Deutschland gehöre eine übertriebene Bürokratie.

Gut herausgearbeitet wird in dem Band: So stark die Verflechtung auch bereits ist, diese muss dennoch verbessert werden. Kranenburgs Bürgermeister Günter Steins, der ebenfalls interviewt wurde, zeigt bürokratischen Hürden auf, die es zu beseitigen gilt. Als Beispiel führt er das Thema Abfall an. So sei es sinnvoller, Kranenburgs Müll nach Nimwegen zu bringen. Die dortige Verbrennungsanlage habe noch Kapazitäten, so Steins. Stattdessen wird der Abfall nach Moyland gefahren und dann weiter nach Oberhausen.

Doch gebe es auch die funktionierende grenzüberschreitende Zusammenarbeit, wie Steins betont. So fahren Kranenburger Schulkinder zum Schwimmunterricht ins Groesbeeker Hallenbad. Durch das Kranenburger Bad hatte man Anfang der 90er-Jahre die Abrisskugel pendeln lassen.

Beim Lesen der Lektüre über die Menschen wird deutlich, wie facettenreich und auch spannend das Leben im Grenzbereich sein kann. Gelungen sind die Fotos, die Menschen in ihrer privaten Umgebung zeigen. So gibt das Buch einen Einblick in die persönlichen Lebensverhältnisse der Interviewten und deren Umfeld. Wer sich etwa anschauen möchte, wie ein Bürgermeister mit Frau und Hund auf der Terrasse sitzt oder zwei Polizisten im Auto, dem sei auch aufgrund dieser Bilder der Kauf des Druckwerks empfohlen.

Ein kleiner Makel ist, dass die Interviews zwei Jahre vor ihrer Veröffentlichung geführt wurden. So sind einige Sachverhalte mittlerweile überholt. Was sich wohl nicht geändert hat, ist das Vorhaben des Bürgermeisters, das immer noch lautet: Der Müll soll nach Nimwegen.

(RP)
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