Kleve Zeitlos wohnen

Kleve · Das Einrichtungshaus Rexing wurde 1892 gegründet. Kleve wurde noch von Kaiser Wilhelm II. regiert. In der vierten Generation führt Susanne Rexing den an Tradition reichen Betrieb. Neben dem Namen ist auch das Geschäftsmodell geblieben: Bleibende Werte werden verkauft.

 1972: Rexing in den 70er Jahren. Das Vordach wurde noch umgestaltet. Parken unmittelbar vor dem Möbelhaus war zu der Zeit noch möglich.

1972: Rexing in den 70er Jahren. Das Vordach wurde noch umgestaltet. Parken unmittelbar vor dem Möbelhaus war zu der Zeit noch möglich.

Foto: Rexing

Das Haus ist ein Museum. Das Gebäude, wie auch das Interieur. Es steht an der Kavarinerstraße 39 - 41 und erstreckt sich über drei Etagen. Jugendstil, Erker, eine großen Fensterfläche und dahinter - Möbel. Seit 1904 befindet sich hier das Klever Einrichtungshaus Rexing. Ein Betrieb, der vor 125 Jahren gegründet wurde. Er ist eine Art Schnittstelle von Möbeldesign und Kunst.

 Susanne Rexing (55) führt ein Haus mit reichlich Tradition und schönem Blick auf die Unterstadt.

Susanne Rexing (55) führt ein Haus mit reichlich Tradition und schönem Blick auf die Unterstadt.

Foto: Markus van Offern

Susanne Rexing (55) führt das Traditionshaus in der vierten Generation. Sie sitzt an einem Schreibtisch im Erdgeschoss des Ausstellungsraums, der die Ausmaße einer Turnhalle besitzt. Die 55-Jährige ist umgeben von Möbel-Klassikern. Ob die Regale hinter ihr, die Stühle vor ihrem Schreibtisch, der Beistelltisch, das Sofa - alles, was man zum Wohnen braucht, nur nichts ohne Wert.

Rexing ist studierte Innenarchitektin. Wenn sie über die Geschichte ihres Unternehmens erzählt, sollte man sich Zeit nehmen.

Es war ihr Urgroßvater Johann, der das Möbelhaus mit Schreinerei 1892 gründete. Das Geld für die Eröffnung brachte seine Frau mit. Ihr Vater war Deichgräf in Keeken. Mit Hilfe ihrer Mitgift wurde zunächst an der Großen Straße in Kleve ein Geschäft eröffnet. 1904 zog man zur Kavarinerstraße um, wo der Betrieb noch heute steht. Tief in den Hang gebaut, war es das Ziel des Firmengründers, eine Möglichkeit zu schaffen, den Betrieb von zwei Seiten beliefern zu können. Der hintere Zugang über die Karlstraße sorgte dafür. Das Wohnhaus der Familie wurde in den Komplex integriert. Geplant hatte das Haus der Klever Architekt Otto van de Sandt. Zahlreiche Fenster, unter anderem auch die riesige Rundbogenverglasung in der Front, besitzen noch die originalen Scheiben aus dem jungen 20. Jahrhundert. Das Haus Rexing bot schon damals gute, wertvolle Möbel an. Geld dafür war vorhanden. Kleve hieß noch Bad Cleve. Es war die Blütezeit der Stadt.

Nach dem 1. Weltkrieg übernahm Susanne Rexings Großvater Jean das Haus. Er hatte an der Kölner Kunstgewerbeschule studiert und kaufte bereits zu der Zeit Möbel ein, die heute noch genauso gefragt sind - wie etwa die aus dem klaren, schnörkellosen Bauhaus-Design.

Zu den damals angebotenen Stücken gehörte auch der Stuhl Nr. 14 - besser bekannt als Konsumstuhl Nr. 14 - des Möbeltischlers Michael Thonet. Die Sitzgelegenheit ist ein Klassiker. Auch heute schwärmt Susanne Rexing vom Design und davon, dass ihr Großvater so viel Weitblick besaß. Er hatte erkannt, welches Potenzial der Stuhl besitzt. Enthusiastisch wurde der Thonet-Stuhl auch Jahre später noch in der Szene gefeiert: "Wenn ein Architekt diesen Stuhl fünfmal so teuer, halb so bequem und ein Viertel so schön macht, kann er sich einen Namen machen", lautete in den 1930er Jahren das Urteil der Designern.

An diesem Möbel wird auch ein Stück weit die Philosophie des Hauses deutlich. So gehörten schon damals die lange Haltbarkeit, die Verarbeitungsqualität und ein ansprechendes Design zu den Bestandteilen der angebotenen Einrichtungsgegenstände.

Großvater Jean Rexing kehrte nicht aus dem 2. Weltkrieg zurück. Er starb 1940. Susanne Rexings Vater Hans, ihre Mutter Henny und Oma Anna mussten die Trümmer, die die Kämpfe hinterlassen hatten, beseitigen. Eine Bombe war auf den hinteren Teil des Gebäudes gefallen.

Der jüngere Bruder des Architekten Otto van de Sandt, Hermann, war ein Freund von Hans Rexing. Er zeichnete die Pläne für den Wiederaufbau und damit für eine bessere Zukunft.

In den 40er und 50er Jahren startete in den USA, Skandinavien, Italien und auch Deutschland ein goldenes Zeitalter des Designs. Während in Amerika die emigrierten Bauhaus-Designer sowie das geniale Ehepaar Charles und Ray Eames für kreative Meisterleistungen sorgten, ging es in Europa um die Ausstattung der nach den Zerstörungen des Krieges neu errichteten - und oft eher kleinen - Wohnungen.

1949 öffnete das Möbelhaus an der Kavarinerstraße wieder. Was sich ändere, war: Hans Rexing konzentrierte sich jetzt mehr auf den Handel mit hochwertigen Möbeln, der Schreinereibetrieb lief aus. Eine seiner ersten Bestellungen war der "endlos Kleiderschrank" von Interlübke, der nicht in der ganzen Familie auf Begeisterung stieß. Weiß, schlicht, klare Fronten brachte er zu der damaligen Zeit alle Voraussetzungen für einen Ladenhüter mit. Henny Rexing stand kopfschüttelnd vor dem Schrank in der Ausstellung und forderte ihren Mann auf: "Mensch, wirf das Ding endlich raus." Er tat es nicht. "Seine Geduld wurde belohnt", blickt seine Tochter zurück. Er sei der erste am Niederrhein gewesen, der diese puristische Art Möbel im Angebot hatte.

Seit 1991 führt Susanne Rexing das Geschäft. Auf der 600 Quadratmeter großen Ausstellungsfläche findet man sowohl zeitlose Bauhaus-Stücke wie auch die aktueller, klangvoller Designer. Wer will, kann hier einen Teil der Möbel-Historie nachvollziehen. Doch dass auch bei der Innenarchitektin, die zwischen Le Corbusier und dem Lackweiß von Interlübke aufwuchs, nicht von Beginn an alles nach Plan lief, erfuhr sie in den ersten Studienjahren. "Ich dachte, ich sei schon so weit, alles selbst regeln zu können", sagt sie. Noch im Grundstudium fuhr sie zur Möbelmesse nach Mailand und bestellte ein Sofa. "Es war bildschön, der Renner auf der Messe", blickt sie zurück. Der Renner stand in Kleve nur im Fenster.

Susanne Rexing verkauft heute nicht mehr ausschließlich Möbel. Sie erstellt auch Wohn-Konzepte. Einer, der davon Gebrauch machte, ist der ehemalige Vorstandsvorsitzende der Bayer AG, Marijn Dekkers. Dem Niederländer richtete die Kleverin die komplette Villa in Meerbusch ein - inklusive Kinderzimmer. Auch in einer Keekener Villa aus dem Jahr 1880 stammen etliche Möbel und Ideen aus dem Hause Rexing.

Sechs Mitarbeiter sind bei dem Möbelhaus beschäftigt. Dass die 125-jährige Geschichte weiter geschrieben wird, davon ist Susanne Rexing überzeugt. Sie sieht jedoch für inhabergeführte Häuser wie ihres nur in Städten wie Kleve eine Chance, weiter zu existieren. "In Großstädten sind die Mieten zu hoch. Nur mit Eigentum und einer entsprechend breiten Kundschaft, wie es sie hier gibt, können derartige Unternehmen existieren", sagt die 55-Jährige. Das Einrichtungshaus Rexing ist, wie unschwer am Jubiläum erkennbar, bereits lange eine feste Größe im Klever Einzelhandel. Doch ist der Markt für "Das Museum fürs Wohnen" nicht immer nur gemütlich. Auch wenn das Geschäft sicherlich nicht für alle Haushalte die erste Adresse bei der Suche nach einem neuen Bücherregal sein kann. Es ist ein Garant des guten Geschmacks zwischen einer fortschreitenden Ikeaisierung.

(jan)
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