93-Jähriger wegen Beil-Attacke vor Gericht "60 Jahre lang fiel nie ein böses Wort"

Köln · Ein 93 Jahre alter Mann gerät mit seiner 87-jährigen Frau in Streit. Der Mann verliert vollkommen die Kontrolle und schlägt fast 50 Mal mit einem Fleischerbeil auf sie ein. Vor Gericht nimmt die Frau ihrem Mann in Schutz. 60 Jahre lang sei nie ein böses Wort gefallen.

 Der Angeklagte konnte aus gesundheitlichen Gründen nicht an der Verhandlung teilnehmen. Im Bild: sein Anwalt Steffen Eckhard.

Der Angeklagte konnte aus gesundheitlichen Gründen nicht an der Verhandlung teilnehmen. Im Bild: sein Anwalt Steffen Eckhard.

Foto: Claudia Hauser

Jeden Freitag kaufte Enzo K. (Namen geändert) seiner Luisa eine rote Rose. Sein Anwalt sagt, K. habe seine Ehefrau immer abgöttisch geliebt. Gab es Streit, küsste Luisa ihrem Mann die Hände und alles war wieder gut. Das Paar ist seit 52 Jahren verheiratet. "Wir waren keinen Tag getrennt", sagt Luisa K. Am Tag, als Enzo K. sich das Fleischerbeil aus der Küche holte und damit mindestens 48 Mal auf seine Frau einschlug, war er 93 Jahre alt und fast blind. Die 87-Jährige überlebte schwer verletzt.

Der Prozess wegen versuchten Totschlags vor dem Kölner Landgericht findet am Montag ohne den Angeklagten statt. Enzo K. ist seit der Tat am 21. Mai 2016 in einer psychiatrischen Klinik untergebracht und gesundheitlich stark angeschlagen. "Schon der Transport zum Gericht könnte sein Leben gefährden", sagt der Vorsitzende Richter der 5. Großen Strafkammer. In einem solchen Fall kann ein Prozess ohne den Beschuldigten stattfinden.

In einer Vernehmung in der Klinik hat Enzo K. die Tat gestanden. Eine psychiatrische Gutachterin kam zu dem Ergebnis, dass er "im Eifersuchtswahn" war, als er seine Frau fast tötete. Enzo K. hatte sich in den Gedanken hineingesteigert, seine Frau würde ihn hintergehen und mit einem Nachbarn aus dem Mehrfamilienhaus in der Kölner Südstadt betrügen. Wie sein Verteidiger Steffen Eckhard sagt, habe K. sich oft gewundert, dass Dinge in der Wohnung repariert waren, wenn er vom Einkaufen kam. Dann konnte er Dinge wie Kleidung nicht mehr finden. Enzo K. dachte, seine Frau hätte ihrem Geliebten seine Kleidung geschenkt. Diese fixe Idee muss den alten Herrn so rasend gemacht haben. Er sprach aber nicht mit Luisa K. darüber, sondern hoffte, "sie würde sich ihm bald wieder zuwenden", wie der Anwalt sagt.

An jenem Mai-Morgen soll es zum Streit zwischen den Eheleuten gekommen sein. Enzo K. soll seine Frau, die halbseitig gelähmt ist, zu Boden gestoßen haben, laut Anklage ging er dann in die Küche und holte ein Fleischerbeil, mit dem er am Abend zuvor ein Hühnchen zerkleinert hatte. Immer wieder schlug er damit auf Luisa K. ein. Anwalt Eckhard sagt: "Er schlug förmlich blind auf sie ein, er wollte sie nicht töten, aber hat gänzlich die Kontrolle verloren." Enzo K. habe plötzlich gespürt, dass es unter seinen Füßen "nass und matschig" wurde. Dass er im Blut seiner Frau steht, habe der fast blinde Mann nicht gemerkt. Nachbarn hörten Luisa K.s Schreie und klingelten Sturm. Als Enzo K. ihnen die Tür öffnete, hielt er das Beil noch in der Hand.

Luisa K. ist die wichtigste Zeugin in diesem Prozess. Sie lebt inzwischen in einem Heim, ein Begleiter schiebt ihren Rollstuhl an den Zeugentisch. Sie trägt ein blau-weiß gepunktetes Kopftuch, die meisten Beilhiebe trafen damals ihren Kopf. Doch es wird schnell deutlich, dass die 87-Jährige der Kammer nicht viel sagen kann — oder sagen will. Es wirkt, als habe sie verdrängt, was ihr Mann ihr angetan hat, als gäbe es nur die vielen Jahre vor der Tat. "Wir kennen uns seit 60 Jahren", sagt sie. In Duisburg haben sie sich kennengelernt, Enzo K. habe damals in ganz Deutschland Milchbars und Eisdielen eröffnet, erzählt seine Frau.

"Wir haben niemals gegeneinander die Hand erhoben oder böse Worte gesagt." Was mit den lautstarken Streits sei, die viele Nachbarn gehört hätten, will der Vorsitzende wissen. Luisa K. wehrt ab: "Ich habe ein lautes Organ, aber Streit gab es bei uns nicht." Als sie den Angriff ihres Mannes schildern soll, wird sie still. "Das war der Tag, an dem ich im Hospital war", sagt sie nur. Ein Fleischerbeil? Das habe sie nicht gesehen. "Das stimmt ja gar nicht", habe sie schon damals im Krankenhaus gesagt, als die Ärzte ihr sagten, was passiert war. Die drängenden Nachfragen des Vorsitzenden scheinen sie zu stressen. Die alte Dame wirkt fahrig, versucht ihre Tränen zurückzuhalten. "Wenn der mich wirklich so behandelt hat, dann sag ich: Das stimmt doch gar nicht — ich weiß doch davon gar nichts."

Der Verteidiger ihres Mannes hat keine Fragen an Luisa K., aber er lässt ihr von Enzo K. ausrichten, dass er sie sehr vermisst. "Er möchte ihnen sagen, dass es ihm zutiefst leid tut." Jedes Mal, wenn er seinen Mandanten besuche, frage der ihn, wie es Luisa K. gehe.

Luisa K. hat dem Gericht Briefe geschrieben, in denen steht, dass sie gerne wieder mit ihrem Mann zusammenleben will. Seit der Tat hat sie ihn nicht mehr gesehen. "Ich kann ihm das nicht vorwerfen", sagt sie. "Ich hab ihn genauso lieb wie vorher."

Ein Urteil wird am 17. März erwartet.

(hsr)
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