Ex-Schauspieler in Köln verurteilt "Der Albtraum jeder Frau"

Köln · Ein Fernseh- und Theaterschauspieler muss wegen versuchter, besonders schwerer sexueller Nötigung für sechs Jahre in Haft. Der 45-Jährige hatte eine 15 Jahre alte Schülerin in Hürth überfallen und in ein Gebüsch gezerrt. Es war nicht sein erstes Verbrechen dieser Art. Das Mädchen leidet bis heute.

Der Angeklagte (l.) mit seinem Rechtsanwalt Oliver Kleine am Mittwoch vor Gericht.

Der Angeklagte (l.) mit seinem Rechtsanwalt Oliver Kleine am Mittwoch vor Gericht.

Foto: Hauser

In der Urteilsbegründung geht der Vorsitzende Richter der 2. Großen Strafkammer auf die Minuten vor der Tat ein. Eine Kamera in der Stadtbahn-Linie 18 hat Sebastian M. am frühen Morgen des 13. Dezember vergangenen Jahres gefilmt. Der 45-Jährige sitzt nach einer schlaflosen Nacht unter Kokain-Einfluss in der Bahn, dunkel gekleidet, eine Mütze in die Stirn gezogen und klebt seine Hand mit Panzerband ab. Um ihn herum Menschen, die zur Arbeit fahren, und viele Schüler. Unter ihnen auch ein blondes 15-jähriges Mädchen. Richter Christoph Kaufmann sagt zu Sebastian M.: "Sie sahen aus wie aus einer anderen Welt in die Szenerie reinkopiert, eine dunkle, surreal wirkende Gestalt in martialischer Aufmachung, gesichtslos, an den Händen nestelnd."

Als die 15-Jährige am Kiebitzweg in Hürth aussteigt, folgt M. ihr. Es ist noch dunkel, sieben Uhr, das Mädchen hat Kopfhörer auf, hört Ed Sheeran. M. zieht sich einen Jutebeutel über den Kopf, in der er einen Sichtschlitz geschnitten hat, er packt die Schülerin von hinten, zerrt sie am Hals ins Gebüsch. "Ich stech' dich ab", soll er mehrmals gesagt haben, das Mädchen wehrte sich, so gut es konnte. Doch M. ist ihr "körperlich weit überlegen", wie der Vorsitzende sagt. Er schafft es, die Jugendliche auf einen weiter abgelegenen Spielplatz zu ziehen, "ich bin minderjährig", sagt sie, als er von ihr verlangt, die Hose auszuziehen. M. sagt mit gespielt ausländischem Akzent: "Ist mir egal." Er hält ihr ein Küchenmesser an die Wange, sie greift rein, verletzt sich, schafft es aufzustehen und zu schreien. Anwohner werden aufmerksam, ein Mann sieht aus dem Fenster, zögert nicht und stürmt raus, "lass das Mädchen in Ruhe!", brüllt er, verfolgt den flüchtenden Täter über Stock und Stein, mehrere hundert Meter weit, reißt ihn zu Boden und schafft es, ihn festzuhalten, bis die Polizei kommt.

Sechs Jahre muss M. nun in Haft, wegen versuchter, besonders schwerer sexueller Nötigung und Körperverletzung. Der Vorsitzende ordnete zudem die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt an. M. hält die Augen am Tag der Urteilsverkündung meist geschlossen, blickt den Richter nur an, wenn er ihn direkt mit Namen anspricht. Eine versuchte Vergewaltigung konnte ihm die Kammer letztlich nicht nachweisen. Beim Versuch der sexuellen Nötigung ist es nur dank des Zeugen und der heftigen Gegenwehr des Opfers geblieben — das betont der Richter. Und es kommt dem Angeklagten in der Bemessung der Strafe zugute, für die es einen Strafrahmen zwischen fünf und 15 Jahren gibt. Versuche der Verteidigung, die Schuld des Angeklagten zu mindern, weil angeblich nicht viel passiert sei, greift Richter Kaufmann am Ende des Prozesses noch einmal auf: "Das war ein Horror-Szenario, wie es im Buche steht, der Albtraum jeder Frau." Sebastian M. habe das Mädchen in Todesangst versetzt. Der Angeklagte hatte am ersten Prozesstag gesagt, sich kaum erinnern zu können, er wolle aber "nicht in Abrede stellen, dass das Mädchen die Wahrheit sagt."

Sebastian M. hat im Laufe seines Lebens immer wieder in zwei Welten gelebt, wie Kaufmann sagt. Er war einst ein erfolgreicher Schauspieler, hatte es in den 1990er Jahren geschafft, aus 800 Bewerbern heraus an einer renommierten Münchener Schauspielschule angenommen zu werden, die Ausbildung auch abgeschlossen. Er lebte später in einer schicken Altbauwohnung in Bonn, hatte ein festes Theater-Engagement, Erfolg bei Frauen. Doch es zog ihn immer auch hin zu Drogen und Prostituierten. Mit einer Lehrerin verheiratet, deren Kind er wie sein eigenes annahm, auf der einen Seite — suchte er immer wieder den Kick und kaufte sich Frauen, mit denen er auch koksen konnte.

Und es ist nicht das erste Mal, das der 45-Jährige, dem ein Psychiater eine narzisstische Persönlichkeit attestiert, alles verloren hat, weil er offenbar eine dunkle Seite in sich trägt — den Hang zum Kokain und dazu, Frauen zu erniedrigen. Richter Kaufmann sagt: "Das Kokain ist daran nicht schuld. Die Ursachen liegen tiefer." Sebastian M. saß schon einmal im Gefängnis, weil er 2001 eine 50-jährige Frau und deren Tochter (18) vergewaltigt hat, "mit einem Zynismus, der kaum zu überbieten ist", wie Kaufmann sagt. Er war damals in die Wohnung der beiden eingebrochen, hatte die Frauen gefesselt und ihnen gesagt, sie seien nicht attraktiv genug für ihn, sie sollten deshalb untereinander ausmachen, welche von beiden sich ihm hingeben dürfe. Sechseinhalb Jahre kam er später in Haft, nur durch einen Zufall waren die Ermittler ihm auf die Spur gekommen. Eine Prostituierte hatte M. 2009 angezeigt, weil er sie bis zur Bewusstlosigkeit gewürgt hatte. Ein DNA-Abgleich brachte den Treffer in dem anderen Fall.

Als M. im vergangenen Dezember das Mädchen anfiel, stand er noch unter Bewährung.

Die 15-Jährige hat große Probleme, mit der Tat klar zu kommen. Sie ist in kindliche Verhaltensweisen zurückgefallen, spielt wieder mit Stofftieren und schläft bei ihrer Mutter. In der Schule war sie seitdem nicht mehr.

(hsr)
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