Köln Die Immisitzung setzt noch einen drauf

Köln · Im verflixten siebten Jahr spielen die Jecken, die allesamt "von woanders" sind, noch frecher, böser und professioneller.

Jägerin Irmgard Gräbner (Alice Eßer) aus Dresden hat auf die Wolfsplage eine ganz klare Antwort: "SSS - schießen, schaufeln, schweigen." Und darüber hinaus hegt die zünftig gewandete Waidfrau noch einen Traum: "Die Errichtung einer Mauer mit Stacheldraht, wie wir sie seit 1989 wehmütig vermissen, um unsere blonden Rehe zu schützen." Ihr Dackel Brownie hat dazu keine Meinung. Der muss erst noch lernen, anständig Sitz zu machen.

Im verflixten siebten Jahr ist die Immisitzung, die erstmals 2010 über die Bühne im Bürgerhaus Stollwerck ging, besser als je zuvor. 2016 setzt sie noch einen drauf. Die Jecken, die alle "von woanders" sind (aus neun Nationen wie der Türkei, Russland und Spanien oder Städten wie Aachen und Düsseldorf), spielen noch frecher, böser und professioneller. In drei Stunden mit halbstündiger Pause bekehrt Jupp Schmitz alias Ali Allemallachen (Charalampos Lavasas) drei Islamisten in einem Terroristencamp zum angewandten Karnevalismus, die "Schönheitschirurgen ohne Grenzen" recyceln zurückgelassene Schlauchboote, um pralle Lippen zu formen, und beim Deutschkurs prägt der türkische Lehrer (Selda Selbach) den Schülern im Publikum die korrekte örtliche Bestimmungsform erste Person Singular ein: "Isch bin Rudolfplatz."

Don Quichotte (Francisco Rodriguez) und Sancho Pansa (Myriam Chebabi) finden sich im Stau auf der Severinsbrücke wieder, und ein "ausländisch aussehender" Taxifahrer (Bülent Yilmaz) stellt sich als waschechter Heilbronner heraus. Als brasilianische Jungfrau Immi-Mymmi I. führt erneut Myriam Chebabi durchs Programm, was sie mit viel Charme und Temperament tut. Auch die Musik kommt nicht zu kurz. So hat Evgenia Tarutin das traditionelle russische Lied "Ochi Chernye" (Schwarze Augen) eingekölscht, um es mit wunderbar verruchter Femme-Fatale-Anmutung vorzutragen, und Victoria Riccio singt eine zum Heulen schöne Liebeserklärung an die Domstadt ("Home to Cologne"). Virtuos unterstützt werden sie dabei von den sieben Musikern der Immiband. Vorm märchenhaft anmutenden Bühnenbild in Gold und Mitternachtsblau gibt's ein Wiedersehen mit Society-Lady Blabla und Sergio (Simeon Long), dem "gut aussehenden homosexuellen Männermagneten", der sich als Lover von Wladimir Putin outet. Und auch die Puppen, der Dicke und der Franzose (gespielt von Andreas List und Robby Göllmann), haben von der Galerie über der Bühne herab noch das ein oder andere kritische Wörtchen mitzureden. Aus dem Operndilemma wird eine große Oper, fürs brillant choreografierte Finale steht Bernsteins "Westside Story" Pate. Absolut kurzweilig und sehenswert.

Immisitzung bis Dienstag, 9. Februar, Bürgerhaus Stollwerck, Dreikönigenstraße 23 (Südstadt). Karten im Vorverkauf bei KölnTicket, Tel. 0221 2801. Alle weiteren Infos unter www.immisitzung.de

(RP)
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