Prozess in Köln Ein feines Mädchen beißt zu

Köln · Vor dem Kölner Amtsgericht hat sich am Montag eine 21-Jährige verantworten müssen: Nach einer durchzechten Nacht griff sie Polizisten an und biss einen Mann in den Oberschenkel.

Prozess in Köln: Ein feines Mädchen beißt zu
Foto: Hauser

Es ist Tamara H. (Namen geändert) anzusehen, dass sie aus gutem Hause stammt. Sie trägt eine Designer-Bluse und ein cremefarbenes Wollcape, ihre dunklen Haare fallen in Wellen über ihre Schultern, sie hat sich sorgfältig geschminkt. Die 21-Jährige lebt in einer Straße in Köln-Rondorf, in der die Anwohner Security-Leute zum Schutz ihrer Häuser bezahlen.

 Der Prozess fand vor dem Amtsgericht Köln statt. (Archivbild)

Der Prozess fand vor dem Amtsgericht Köln statt. (Archivbild)

Foto: dpa, Federico Gambarini

Der Mascara der jungen Frau übersteht den Prozess vor dem Kölner Amtsgericht nicht. Schon als sie reinkommt, rinnen die Tränen über ihre Wangen. Während der mehr als vierstündigen Verhandlung kommt sie mit einem Päckchen Taschentücher nicht hin, immer wieder wischt sie sich die Tränen aus dem Gesicht und schaut unglücklich zum Richterpult.

Was die Staatsanwaltschaft der Auszubildenden vorwirft, passt so gar nicht zum Bild des feinen Mädchens, das sie an diesem Prozesstag abgibt: Körperverletzung, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und vorsätzliche Trunkenheit im Straßenverkehr lauten die Anklagepunkte. "Wie eine Furie" habe sie sich verhalten, wird der Vorsitzende Richter später sagen.

Mit 1,26 Promille mit dem Mini nach Hause

Tamara H. war am 18. September 2016 beim Oktoberfest in einem Festzelt in Köln. Mit 1,26 Promille fuhr sie morgens gegen 3.30 Uhr mit ihrem Mini nach Hause — das ging gut, sie parkte das Auto gegen 4 Uhr vor ihrem Elternhaus in Rondorf. Ein Zeuge bestätigt das vor Gericht. "Ich hatte den ganzen Tag nichts gegessen und viel Bier getrunken", sagt Tamara H. Sie bekommt kaum einen Satz heraus, weil sie immer wieder schluchzt. Was dann geschah, wisse sie nur, weil ihre Anwältin es ihr erzählt habe.

Die Tür zum Haus der Familie stand noch offen, als wenige Minuten nach Tamaras Ankunft in jener Nacht eine Gruppe von sieben jungen Leuten vorbei ging, die bei einem Kumpel Geburtstag gefeiert hatten. "Guckt mal, da gibt es gleich die nächste Hausparty", scherzten sie. Tamara H. kam dann — so die einstimmigen Aussagen aller Zeugen — im Laufschritt aus dem Haus gerannt und beschimpfte die Gruppe mit Ausdrücken wie "Hurensöhne". Mit den Worten: "Junge, halt die Fresse" soll sie dann auf den 23-jährigen, einigermaßen verdutzten Patrick K. eingeschlagen haben. Der machte damals eine Ausbildung zum Polizisten und habe versucht, die Situation möglichst deeskalierend zu beenden.

"Das war so skurril"

Die Gruppe machte sich nach Tamara H.s Ausraster ("Wir waren alle eigentlich recht sprachlos") wieder auf den Weg. Man wollte die Sache auf sich beruhen lassen, alle waren müde und wollten nach Hause. "Das war so skurril, ein Angriff aus dem Nichts", sagt einer der Zeugen.

Doch Tamara H. ging ins Haus, schnappte sich ihren Autoschlüssel und verfolgte die Gruppe. Sie lenkte ihren Mini auf den Bordstein. Dort soll sie Patrick K. angefahren haben, wofür es letztlich aber nicht genügend Beweise gab. Fest steht, dass sie erneut auf den Studenten losgestürmt ist, ihn geschlagen und gebissen hat. Er hatte zwei Bissverletzungen am Oberschenkel und an der Wade. Mit Mühe und Not brachte er Tamara H. zu Boden und hielt sie unter Mithilfe eines Freundes so lange fest, bis die Polizei eintraf. Es brauchte allerdings mehr als zwei Streifenbeamte, um die Frau in einen Polizeiwagen zu verfrachten.

Tamara H. beleidigte und schubste eine Beamtin, soll sie als "uniformierte Schlampe" bezeichnet haben. Auf dem Weg in den Gewahrsam versuchte sie, der Beamtin eine Kopfnuss zu verpassen. "Die war außer Rand und Band", sagt die Polizistin im Zeugenstand.

Das Urteil: 2400 Euro Geldstrafe

Die Mutter der Angeklagten war "total geschockt", weil ihre Tochter in der Ausnüchterungszelle war und morgens um 7 Uhr völlig desolat vor der Tür stand. Sie war ihr noch nachgefahren in der Nacht, hatte sie aber nicht gefunden.

Vor Gericht entschuldigt die 55-Jährige auffällig große eigene Erinnerungslücken zur Frage, was die Tochter denn über die Nacht erzählt habe, damit, dass sie als Mutter auch sehr aufgeregt sei. "Aufgeregt?", fragt der Vorsitzende. "Das mag an dem liegen, was Ihre Tochter gemacht hat — nicht an uns."

Die Staatsanwältin fordert schließlich eine einjährige Bewährungsstrafe. Das Schöffengericht verurteilt die 21-Jährige nach einer Beratungspause zu einer Geldstrafe von 2400 Euro. "Es gibt Verfahren, die machen einen sprachlos", sagt der Vorsitzende. "Sie sind völlig ausgetickt." Tamara H. hat dem Ganzen nichts mehr hinzuzufügen, sie schluchzt und sieht jetzt noch unglücklicher aus.

(hsr)
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