Köln Flüchtlingsfrauen klagen Security an

Köln · In zwei anonymen Briefen werfen Frauen aus einem Kölner Flüchtlingsheim den Mitarbeitern eines Sicherheitsdienstes sexuellen Missbrauch vor. Die Sicherheitsfirma weist die schweren Anschuldigungen zurück. Die Polizei ermittelt.

Köln: Flüchtlingsfrauen klagen Security an
Foto: dpa, obe tba

Nach Protesten von Flüchtlingen geht die Kölner Polizei dem Vorwurf sexueller Übergriffe durch Angehörige eines Sicherheitsdienstes nach. Diesen Vorwurf erheben die Autoren zweier anonymer "offener" Briefe. Die Kölner Polizei hat bisher 50 Frauen der Unterkunft befragt, kann die Vorwürfe aber noch nicht konkretisieren. Der Sicherheitsdienst weist die Anschuldigungen zurück. Der Projektmanager der Sicherheitsfirma sagte dem "Kölner Stadtanzeiger": "Ich bin entsetzt über die Vorwürfe. Ich bin mir sicher, dass sie völlig haltlos sind."

Glaubt man den Aussagen der Frauen in der Kölner Flüchtlingsunterkunft, so ist ihr Leben dort derzeit ein Spießrutenlauf: "Es gibt keine Privatsphäre, keinen Rückzugsraum für Frauen in der Unterkunft. Mütter können ihre Säuglinge nicht in Ruhe stillen, schwangere Frauen haben keine Ruhe. Aber das ist nicht alles", heißt es in den Briefen, die bei einer Demonstration von Asylsuchenden verteilt wurden. Zudem ist die Rede von organisiertem "sexuellen Missbrauch und Belästigungen gegen Frauen". Die Gruppe bestehe aus neun Männern, darunter der Leiter des Dienstes. "Sie filmen Frauen beim Stillen, beim Duschen und nachts beim Schlafen. Sie ziehen Ehepaaren die Decke weg, wenn sie darunter nackt und intim sind. Sie zwingen Frauen mit Gewalt zum Geschlechtsverkehr", heißt es.

Ob die Absender der Briefe tatsächlich die Frauen aus der Unterkunft in Köln sind, ist ungewiss. "Von den verhörten Frauen hat noch keine angegeben, Opfer oder Zeugin einer Straftat in dem Flüchtlingsheim geworden zu sein", erklärte Polizeisprecher Thomas Held. Die Aufgabe der Polizei bestehe nun darin, die Vorwürfe der Flüchtlinge lückenlos aufzuklären. Dazu hat die Kölner Polizei eigens eine Ermittlungskommission gegründet, die den Sachverhalt aufklären soll. "Die Gruppe besteht aus erfahrenen Kriminalpolizisten, die sich auch im Arbeits-Alltag mit Sexualdelikten beschäftigen." Bisher gebe es allerdings keine konkreten Hinweise auf von Mitarbeitern des zuständigen Sicherheitsdienstes verübte Straftaten in der Unterkunft. Zudem sei das Flüchtlingsheim Westerwaldstraße bislang kein Schwerpunkt von Polizeieinsätzen gewesen.

Die Stadt Köln prüft die Anschuldigungen einer Sprecherin zufolge "intensiv". Es sei das erste Mal, dass es derartige Vorwürfe gegenüber Wachleuten in Kölner Flüchtlingsunterkünften gebe. Auch bei der Heimleitung des beauftragten Trägers, dem DRK, hätten keine Beschwerden vorgelegen. Überdies sei die Sicherheitsfirma zertifiziert, was den nötigen Qualitätsstandard in Hinblick auf die Wachleute garantiere, und bilde in einer anerkannten Werkschutzschule eigene Mitarbeiter aus, heißt es in einer Stellungnahme der Stadt. Zudem würden mobile Bereichsleiter die Heime regelmäßig kontrollieren. "In den Einrichtungen gibt es eine gute Zusammenarbeit zwischen Mitarbeitern der Betreuungsträger, der Stadt und des Sicherheitsunternehmens unter Einbeziehung der Unterstützerorganisationen und einer Vielzahl ehrenamtlich engagierter Bürgerinnen und Bürger", erklärte die Stadt. Die Mitarbeiter würden ständiger Kontrolle unterliegen. In der betroffenen Unterkunft sind rund 200 Bewohner untergebracht. Die dort zuständige Sicherheitsfirma betreut insgesamt 94 Flüchtlingsunterkünfte in Köln.

In einem der Briefe ist auch die Rede davon, dass sich nicht nur die Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes an Frauen in der Unterkunft vergangen haben. "Nachts bringen die Securitys andere Männer von außerhalb, die die Kleidung der Security-Crew anziehen und zu den Frauen gehen. Sie lauern Frauen als Gruppe auf und versuchen sie dann zu vergewaltigen", heißt es darin.

Birgit Naujoks, Geschäftsführerin des Flüchtlingsrats NRW, zeigte sich gestern "empört und erschrocken" über die Vorwürfe. Gleichzeitig betonte sie aber, dass es sich zunächst einmal nur um im Raum stehende Beschwerden handele, die untersucht werden müssten. "Sollte sich all das bewahrheiten, wäre das eine schlimme Sache." Dann müsse dies den Wechsel des Sicherheitspersonals nach sich ziehen. Sie forderte intensive Kontrollen des gesamten Personals, das in Flüchtlingsheimen arbeitet.

Den Schritt der Flüchtlinge, an die Öffentlichkeit zu gehen, lobte Naujoks. Vielleicht fühlten sich so auch andere Betroffene ermutigt, ähnliche Vorkommnisse öffentlich zu machen.

(RP)
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