Kölner Friedensmarsch "Muslim zu sein heißt nicht, Terrorist zu sein"

Beim Kölner Friedensmarsch haben Muslime am Samstag ein Zeichen gegen Gewalt und islamistischen Terror gesetzt. Unter dem Motto "Nicht mit Uns" gingen zwischen 500 und 1000 Menschen auf die Straßen. Trotz der friedlichen und positiven Stimmung auf dem Heumarkt, hätte das Zeichen aus Köln stärker ausfallen müssen.

Friedensmarsch in Köln: "Muslim zu sein heißt nicht, Terrorist zu sein"
Foto: Polizei Köln

"Ich habe seit Tagen nicht mehr richtig geschlafen — ich bin froh, wenn der Tag geschafft ist", sagt die Duisburger Islamwissenschaftlerin Lamya Kaddor und sieht dabei sichtlich erschöpft aus. Die zahlreichen Pressevertreter stehen Schlange, alle wollen sie ein Interview mit der Organisatorin des Friedensmarsches. In wenigen Minuten soll die Kundgebung auf dem Kölner Heumarkt beginnen, doch noch ist der Platz vor der großen Bühne kaum besucht. "Ich weiß, dass ich mit dieser Aktion keinen einzigen Islamisten erreichen werde. Darum geht es mir aber auch gar nicht. Es geht darum, ein starkes Zeichen zu setzen, die muslimische Zivilgesellschaft zu stärken und die öffentliche Wahrnehmung des Islams zu ändern", betont Kaddor.

Deutlich weniger Teilnehmer als erwartet

Gerechnet hatten die Veranstalter der Demonstration "Nicht mit Uns — Muslime gegen den Terror" mit rund 10.000 Teilnehmern — gekommen waren am Ende nach Angaben von Beobachtern nur maximal 1000. Die Kurdische Gemeinde Deutschland erklärte am Abend, es hätten nur rund 300 bis 500 Menschen an der Demonstration teilgenommen, davon nahezu die Hälfte Nichtmuslime. Die Organisatoren um Lamya Kaddor sprachen von 3000 Teilnehmern, sie hatten Muslime aus ganz Deutschland aufgerufen, nach den Anschlägen von Berlin, Manchester und London ein Zeichen gegen Islamismus und Terror zu setzen.

Um die Aktion hatte es im Vorfeld lebhafte Debatten gegeben - vor allem, weil der Islamverband Ditib seine Teilnahme an der Anti-Terror-Demo abgesagt hatte. Die Ditib, die in Köln ansässig ist und dort auch ihre Zentralmoschee betreibt, warf den Organisatoren eine "öffentliche Vereinnahmung und Instrumentalisierung" vor. Zudem sei fastenden Muslimen nicht zumutbar, "stundenlang in der prallen Mittagssonne bei 25 Grad zu marschieren und demonstrieren". Der islamische Fastenmonat Ramadan geht noch bis zum 24. Juni.

"Muslime gehen während des Ramadan arbeiten, sie treiben während der Fastenzeit Sport — ich denke, es ist mehr als zumutbar, dass wir hier heute auf die Straße gehen", ruft Lamya Kaddor dem Publikum von der Bühne aus zu. Inzwischen hat sich der Platz gefüllt. Gekommen sind Familien, Junge und Alte, muslimische Verbände, Kirchenvertreter und Politiker. Einige halten Plakate in die Höhe auf denen Sätze zu lesen sind wie: "Gemeinsam gegen den Terror." Die Stimmung ist friedlich.

Sind Muslime es satt, sich zu rechtfertigen?

Trotzdem wird deutlich, viele Muslime sind es leid, sich immer rechtfertigen und erklären zu müssen. "Ich glaube es sind auch deswegen heute so wenig Menschen gekommen, weil viele Muslime inzwischen genervt davon sind, dass sie sich immer explizit von Terroristen distanzieren müssen", sagt Shehroz Sial. Der Informatik-Student aus Frankfurt engagiert sich in der Ahmadiyya Muslim Jugendorganisation. Die Organisation zählt mit über 12.000 aktiven jungen Mitgliedern zu den größten und ältesten muslimischen Jugendverbänden Deutschlands. Dennoch sei es wichtig sein Gesicht zu zeigen, ins Gespräch zu kommen und Ängste abzubauen, ergänzt Sial.

Ebenfalls aus Frankfurt angereist ist Iman Afif. Es sei erschreckend, wie stark die Vorurteile gegenüber Muslimen inzwischen ausgeprägt seien, sagt die junge Frau. "Ich werde regelmäßig angesehen, als sei ich ein Schwerverbrecher."

Als sich wenig später der Demonstrationszug vom Heumarkt aus in Bewegung durch die Kölner Innenstadt setzt, wird abermals deutlich, dass nicht annähernd so viele Teilnehmer gekommen sind, wie erwartet worden war. Dennoch ist die Atmosphäre, die von den Marschierenden ausgeht, eine besondere. Zwischen die Kinder, Familien und Jugendlichen mit muslimischen Wurzeln haben sich zahlreiche Nicht-Muslime gemischt. Und kaum passiert der Friedensmarsch die erste kölsche Eckkneipe, wird dort von den Gästen das bekannte Lied "Unsere Stammbaum" von den Bläck Fööss angestimmt. Darin heißt es:

"Ich ben Grieche, Türke, Jude, Moslem un Buddhist,

mir all, mir sin nur Minsche, vür‘m Herjott simmer glich ..."

(Ich bin Grieche, Türke, Jude, Muslim und Buddhist,

wir alle, wir sind nur Menschen — vor dem Herrgott sind wir alle gleich.)

Die Menge applaudiert und zieht dann weiter durch die Innenstadt. Am Ende der Veranstaltung heißt es auch vonseiten der Polizei, es habe keinerlei Zwischenfälle gegeben, die Lage sei ruhig gewesen. Der Friedensmarsch in Köln war ein guter Anfang — das ganz starke Zeichen ist jedoch ausgeblieben.

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