Flucht aus Brauhaus in Köln Geflohener Sex-Täter: Was wir wissen - und was nicht

Düsseldorf · Der Sexualstraftäter Peter B. ist am Mittwochmittag bei einem Freigang geflohen. Trotz zwei Bewachern konnte er unbemerkt aus dem Kölner Brauhaus Früh entkommen. Es gibt einige Unklarheiten in dem Fall und unterschiedliche Versionen der Flucht.

Sexualstraftäter flieht aus Brauhaus-Toilette in Köln
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Stationen der Flucht des Sexualstraftäters

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Foto: dpa, hk wst

Noch immer läuft die Suche nach dem 58-jährigen Peter B.. Am Freitag gab es eine erste Spur, B., der wegen mehrerer Vergewaltigungen in Sicherungsverwahrung war, soll in Bonn gesichtet worden sein. Die Suche aber wurde erfolglos abgebrochen. Die Flucht von Peter Breidenbach wirft auch am Freitag noch viele Fragen auf.

Wie konnte Peter B. entkommen?

B. floh am Mittwoch gegen 13.30 Uhr bei einem Freigang in der Kölner Innenstadt. Der wegen mehrerer Vergewaltigungen verurteilte Mann saß in der Justizvollzugsanstalt Aachen seit 16 Jahren in Sicherungsverwahrung, zuvor verbüßte er dort eine neunjährige Haftstrafe. B. hatte bei der JVA-Leitung beantragt, seine Heimatstadt Köln besuchen zu dürfen, um dort Kleidung zu kaufen. Am Mittag kehrte er mit zwei Justizvollzugsbeamten im Brauhaus Früh ein. Zum Fluchthergang gibt es mittlerweile zwei Versionen.

Version 1 Der Leitung der JVA Aachen zufolge, die sich auf die Schilderung ihrer Justizvollzugsbeamten beruft, soll B. während eines Toilettengangs geflohen sein. Dies soll geschehen sein, als sich auch der begleitende Justizvollzugsbeamte erleichterte und deshalb mit dem Rücken zur Kabinentür gestanden haben soll.

Version 2 Der WDR indes berichtet, dass B. allein auf die Toilette gegangen sei. Augenzeugen hätten dies beobachtet. Seine beiden Bewacher seien später hektisch durch die Gaststätte gelaufen und hätten dem Personal erklärt, dass sie einen Mann auf der Toilette suchten.

"Wir prüfen beide Versionen", sagte ein Sprecher des Justizministeriums am Freitagmorgen. Man habe vorerst aber keinen Grund, den Justizvollzugbeamten nicht zu glauben. Am Freitagmittag dann stellte die JVA Aachen Strafanzeige gegen zwei Justizvollzugsbeamte. Dies berichtete die Deutsche Presse-Agentur. Es gehe darum zu prüfen, ob ihr Verhalten möglicherweise den Straftatbestand der Gefangenenbefreiung erfülle, sagte ein Ministeriumssprecher. "Letzten Endes muss es auch zum Schutz der Bediensteten aufgeklärt werden", sagte die Leiterin der JVA, Reina Blikslager. Die Staatsanwaltschaft Köln hat die Ermittlungen gegen die Beamte aufgenommen.

B. hatte zwei Justizvollzugsbeamten an seiner Seite, die als erfahren galten. Einem Sprecher des NRW-Justizministeriums zufolge ist es üblich, dass zwei bis drei Beamte einen bewachten Freigang begleiten. Zudem werden als gefährlich geltenden Straftätern Fessel angelegt. Auch B. trug bei seinen Freigängen zunächst eine Kombination aus Hand- und Fußfessel. Weil er seine vorherigen Freigänge aber stets "unproblematisch absolviert" habe, so der Ministeriumssprecher, wurde auf die Fessel verzichtet. Das sei nicht ungewöhnlich. Dass die Beamten B. aus den Augen ließen, hätte indes nicht passieren dürfen, heißt es aus dem Ministerium. Nun sei ein Disziplinarverfahren wahrscheinlich.

Die Polizei suchte am Freitagmorgen in den Bonner Rheinauen nahe der Südbrücke nach einem Verdächtigen. Ein Jogger wollte dort Peter B. erkannt haben. Die Polizei war ab 9.30 Uhr mit 80 Polizisten und einem Hubschrauber im Einsatz. Gegen 12.20 Uhr wurde die Suche aber erfolglos abgebrochen. Auch aus der Bonner Innenstadt und aus Bornheim bei Bonn seien Hinweise eingegangen, sagte ein Polizeisprecher. Die Suche dort habe man aber "schnell" wieder beendet. B. trug nach Informationen unserer Redaktion 400 Euro bei sich, als ihm die Flucht gelang. Er ist also nicht mittellos.

Sein Insulin soll einem Bericht der "Bild-Zeitung" zufolge nach drei Tagen aufgebraucht sein. "Heute oder vielleicht morgen bekommt er ein Problem", sagte der Sprecher des Justizministeriums. B. muss sich dann neues Insulin beschaffen. Das birgt Gefahren: Insulin ist verschreibungspflichtig. Es ist also nicht auszuschließen, dass B. sich den Wirkstoff auf illegalem Wege zu besorgen versucht.

Dafür gibt es bislang keine Erkenntnisse. Aus Ermittlerkreisen heißt es, man gehe von einer Spontanhandlung aus. B. habe die Situation ausgenutzt. Sicher aber ist das nicht.

Mindestens vier Mal im Jahr stehen Sicherungsverwahrten sogenannte Ausführungen zu. Dieses Regelung ging aus einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts im Jahr 2004 hervor. Die Ausführungen "dienen der Erhaltung der Lebenstüchtigkeit", heißt es im NRW-Sicherungsverwahrungsgesetz. Vor seiner Flucht hatte B. bereits achtmal Freigang, zum ersten Mal im Juni 2014. "Solche Ausführungen sollen motivieren, an Behandlungsmaßnahmen teilzunehmen", erklärte die Leiterin der JVA Aachen, Reina Blikslager. Nach Informationen unserer Redaktion hatte sich B. allen Therapien verweigert.

Peter B. wurde 1991 zu neun Jahren Haft verurteilt. Anschließend wurde die Sicherungsverwahrung angeordnet, weil das Gericht ihn als besonders gefährlich eingeschätzt hatte. Sicherheitsverwahrte werden jährlich von einem Psychologen begutachtet. Dabei werden auch Perspektiven für eine Freilassung aufgezeigt. Bei B. gab es eine solche Perspektive nach Informationen unserer Redaktion bislang nicht.

Sicherungsverwahrung wird nach einer bereits verbüßten Haftstrafe angeordnet, wenn ein verurteilter Straftäter weiterhin als gefährlich gilt. Die Sicherungsverwahrung kann unbefristet gelten, den Verwahrten werden mehr Rechte zugestanden als gewöhnlichen Häftlingen. Ihre Zellen sind größer, und sie dürfen sich im Gefängnis freier bewegen. Sicherungsverwahrung kann angeordnet werden, wenn das Gericht davon ausgeht, dass von einem verurteilten Straftäter auch nach seiner Haftstrafe eine Gefahr ausgeht. Die meisten Sicherungsverwahrten sind Sexual- und Gewalttäter. In Nordrhein-Westfalen sind zurzeit insgesamt 113 Personen in Sicherungsverwahrung. Die meisten davon in der JVA Werl (54) und in Köln (50).

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