David Klapheck von der Synagogen-Gemeinde Köln "Ich werde als deutscher Jude für Israels Politik verantwortlich gemacht"

Köln · Nach den gewaltsamen Demonstrationen gegen die Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt Israels spricht der Geschäftsführer der Synagogen-Gemeinde Köln, David Klapheck, über die Ängste der Juden in NRW. Und er erklärt, warum er in manchen Düsseldorfer Stadtteilen niemals eine Kippa tragen würde.

 Der Düsseldorfer David Klapheck ist seit März 2017 Geschäftsführer der Synagogen-Gemeinde Köln.

Der Düsseldorfer David Klapheck ist seit März 2017 Geschäftsführer der Synagogen-Gemeinde Köln.

Foto: Synagogen-Gemeinde Köln

Brennende israelische Flaggen, antisemitische Sprechchöre - das Entsetzen über die eskalierten Demonstrationen in der Hauptstadt ist noch immer groß. Auslöser war die Entscheidung von US-Präsident Donald Trump, Jerusalem als israelische Hauptstadt anzuerkennen. Dabei ist diese Zeit für Juden auf der ganzen Welt eigentlich eine besinnliche, sie feiern in diesen Tagen das Chanukka-Fest. Wir haben den Geschäftsführer der Synagogen-Gemeinde Köln (SGK) gefragt, wie sich Juden in der Region nun fühlen.

Herr Klapheck, welche Auswirkungen hat die momentane politische Situation auf Juden in Nordrhein-Westfalen?

Klapheck Sie bereitet uns als jüdische Gemeinde Sorge. Eltern sorgen sich um ihre Kinder. Sie fürchten, dass sie in der Schule gemobbt werden. Es gibt wegen des Jerusalem-Entscheids sicherlich ähnliche Anfeindungen wie vor zwei Jahren, als es den militärischen Konflikt zwischen Hamas und Israel gab. Eltern scheuen sich aber häufig davor, solche Diffamierungen zu benennen.

Sind Szenen, wie sie am Wochenende in Berlin zu sehen waren, auch hier in der Region vorstellbar?

 Demonstranten in Berlin verbrennen eine Fahne mit Davidstern.

Demonstranten in Berlin verbrennen eine Fahne mit Davidstern.

Foto: Jüdisches Forum für Demokratie und gegen Antisemitismus e.V./dpa

Klapheck Ja, ich kann mir antisemitische Demonstrationen wie in Berlin auch in Städten wie Köln, Dortmund oder Duisburg vorstellen. Hierbei ist weniger der Nazi-Antisemitismus ausschlaggebend, sondern viel mehr der anerzogene Antisemitismus vieler Menschen mit muslimischem Glauben. Durch jahrelange Erziehung sind zum Beispiel viele Syrer mit dem Feindbild Israeli aufgewachsen. Gleichzeitig sorgt die AfD für eine Verrohung der Sprache, sodass auch der Antisemitismus am rechten Rand wieder erstarkt. Das finde ich insgesamt sehr unangenehm, mit Trump oder Jerusalem hat das erstmal weniger zu tun.

Was muss die Politik tun, um diesem Trend entgegenzuwirken?

Klapheck Ich finde es erstmal gut, dass Politiker die Verbrennung der Fahnen Israels in Berlin verurteilt haben. Es müssten allerdings auch richtige Taten folgen. Sonst sind das nur Lippenbekenntnisse. Es regen sich in diesen Momenten immer wieder alle auf, es findet aber keine Erziehung in Richtung des freiheitlichen Denkens statt. Natürlich muss über den Holocaust gesprochen werden, es geht aber auch um die Vermittlung der Werte der Aufklärung, um Gleichheit und Brüderlichkeit. Da muss die Erziehung ansetzen und das ist sehr viel sehr schwere Arbeit.

Haben Sie damit gerechnet, dass Trumps Jerusalem-Entscheidung auch hier vor Ort so hohe Wellen schlagen würde?

Klapheck Ich finde die Reaktionen insgesamt erstaunlich. Schon viele Präsidenten vor ihm haben davon gesprochen, Clinton zum Beispiel. Die Nachricht wird aufgebauscht, weil die Entscheidung von Trump kommt.

Haben Sie in dieser Debatte auch schon persönlich Hass zu spüren bekommen?

 Mehrere Männer tragen eine Kippa. (Symbolbild)

Mehrere Männer tragen eine Kippa. (Symbolbild)

Foto: dpa, Sebastian Kahnert

Klapheck Ich werde häufig gefragt, was "wir" da eigentlich in Israel machen. Ich finde das entsetzlich: Ich werde als deutscher Jude nicht nur für die Politik in Israel, sondern auch die in den USA verantwortlich gemacht. Da spricht man vom "Weltjudentum", von der Presse, die fest in jüdischer Hand sei. Das ist purer Antisemitismus, da werden die übelsten alten Vorurteile wieder hervorgeholt.

Kann man in NRW als jüdischer Mann sorgenfrei mit einer Kippa auf die Straße gehen?

Klapheck Es gibt in sehr vielen Städten Flecken, wo Sie mit einer Kippa so viel Aufsehen erregen, dass Sie Repressalien zu fürchten haben. Ich bin Düsseldorfer und auch hier gibt es bestimmte Stadtteile, da würde ich niemals mit Kippa hingehen. Das ist sehr schade, denn die arabische Kaffeehauskultur beispielsweise ist etwas Wunderbares.

(tak)
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