Second-Hand-Hochzeitskleider in Köln Ein Brautkleid namens Renate

Köln · Judith Erb verhilft alten Brautkleidern zu einem zweiten großen Auftritt: In ihrem Kölner Laden "Vererbt" verkauft sie aber nicht nur die Kleider, sondern auch deren Geschichten.

Hochzeitskleid: Bei "Vererbt" in Köln gibt es Second-Hand-Brautkleider
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Vintage-Brautkleider mit Geschichten

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Freitag ist Brautkleiderannahme-Tag in einer alten Bootsbauhalle im Deutz-Mülheimer Hafen. Judith Erb hat hier auf 20 Quadratmetern ein kleines, hübsches Studio eingerichtet, in dem sie Brautkleider verkauft. Es sind aber keine neuen Kleider. Die Modelle stammen aus den 1950er- bis 80er Jahren, wurden alle einmal getragen und verschwanden dann für viele Jahre in Kellern oder auf Dachböden.

Erb, 36 Jahre alt und studierte Wirtschaftsingenieurin, hat sich vor drei Jahren überlegt, dass es doch schön wäre, den alten Kleidern noch einmal einen großen Auftritt zu verschaffen. "Ich dachte mir, dass wirklich in sehr vielen Schränken Hochzeitskleider sein müssen. Und ich finde es toll, alte Dinge wertzuschätzen", sagt sie. In ihrem Geschäft "Vererbt" verkauft sie nun Vintage-Brautkleider.

Renate Weith ist eine der Frauen, die ihr Hochzeitskleid an Judith Erb verkaufen, damit es noch einmal von einer anderen Braut getragen werden kann. Die 66-jährige Kölnerin ist ein wenig nervös, weil sie unsicher ist, ob das schlichte wollweiße Kleid mit dem vergilbten Spitzen-Umhang überhaupt zum Weiterverkaufen taugt. "Ich hab es ja nie gewaschen, weil ich es nicht kaputt machen wollte", sagt sie. Erb beruhigt sie und sagt: "Ach, das Kleid braucht ein bisschen Aufmerksamkeit, dann strahlt es wieder."

Am 10. Oktober 1970 hat Renate Weith ihren Mann Hermann geheiratet, seitdem lag das Kleid in einer Kiste im Keller. Einmal gab es Streit bei den Weiths, weil es so aussah, als hätte Hermann Weith das Kleid mitsamt der Karnevalsklamotten der beiden Söhne weggeworfen — doch dann tauchte das Brautkleid in einer anderen Kiste wieder auf. 18 und 21 Jahre alt waren die beiden bei ihrer Hochzeit.

"Ich hatte damals eigentlich eine Freundin, aber dann hab ich Renate gesehen und die andere einfach stehen gelassen", sagt Hermann Weith und lacht. Seine Frau sagt: "Ja, es war seltsam, ich hab nur ein paar Stunden mit ihm verbracht, bin dann nach Hause und hab zu meiner Mutter gesagt: Ich hab gerade den Mann kennengelernt, den ich heiraten werde."

Judith Erb notiert sich die Geschichten ihrer Kleider, die sie so nennt, wie die ersten Bräute: Marlene, Brigitte — und Renate. Die Frauen, die sich für die Kleider interessieren, bekommen diese Geschichten dann erzählt. "Was ist denn das Geheimnis ihrer Ehe?", will Erb wissen. Hermann Weith sagt: "Da gibt es kein Geheimnis. Man verträgt sich, man streitet sich — wichtig ist, dass man immer über alles spricht und nicht der eine abends schweigend in das eine Bett geht und der andere in ein anderes."

Erb nimmt nur Kleider aus glücklichen Ehen an, keine Scheidungskleider. "Ich hatte mal eins, aber das wollte keine Frau haben." Manche wollen auch kein Kleid, das so heißt wie die zukünftige Schwiegermutter. Und dann gibt es wieder Kleider, die passen genau zu der neuen Braut. Weil sie in ihrem Geburtsjahr zum ersten Mal getragen wurden oder weil sie heißen wie die Mutter.

Erb lässt die Kleider immer erst reinigen, bevor sie sie in ihr Geschäft hängt. "Ich habe keine Lust auf diesen typischen Second-Hand-Muff", sagt sie. Ansonsten bleiben die Kleider aber bis auf kleine Ausbesserungen erst einmal so, wie sie sind. Auf einem Schildchen an einem der Kleider steht: "Marlene — lernte Mann auf Schützenfest kennen. Am 5. August 1961 wurde groß Hochzeit gefeiert. Leben bis heute glücklich im Eigenheim und haben drei Kinder und fünf Enkelkinder."

Kleider kosten zwischen 100 und 400 Euro

Will eine Frau das Kleid kaufen, kann es dann passieren, dass aus einem langen ein kurzes Brautkleid wird, Puffärmelchen abgenommen werden oder es mit Samtbändern oder einer Spitzenapplikation aufgehübscht wird. Erb arbeitet mit einer Schneiderin zusammen, die all ihre Ideen umsetzt. Zwischen 100 und 400 Euro kosten die Vintage-Brautkleider. Erb hat Größen zwischen 36 und 44 in ihrem Geschäft.

Renate Weith hat 40 Euro für ihres bekommen. "Ich weiß nicht mehr, was es damals gekostet hat", sagt sie. "Aber es geht mir auch nicht ums Geld. Ich würde mich einfach freuen, wenn mein Kleid noch einmal getragen wird. Mir hat es Glück gebracht."

Erb kann natürlich nicht versprechen, dass jemand das Kleid kauft. Aber wenn ja, dann bekommt die Braut Renate Weiths Telefonnummer. Es kam schon vor, dass es eine Einladung zur Hochzeit gab.

(hsr)
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