Fristen versäumt Kölner Justiz lässt sich Zeit - verurteilte Gewalttäter wieder frei

Köln · In Köln sind vier zu langen Haftstrafen verurteilte Gewaltverbrecher wieder auf freiem Fuß, weil die Justiz mehrere Fristen verbummelte. Das berichtet der "Kölner Stadt-Anzeiger". Wie überlastet sind Gerichte und Staatsanwälte in NRW?

 Das Landgericht und auch die Staatsanwaltschaft Köln stehen in der Kritik.

Das Landgericht und auch die Staatsanwaltschaft Köln stehen in der Kritik.

Foto: dpa, obe cul kno ve

Sie wurden vom Landgericht Köln Ende 2014 wegen versuchten Mordes und Beihilfe zu versuchtem Mord zu jahrelangen Haftstrafen verurteilt worden: Vier Männer hatten im Herbst 2013 einen 60-Jährigen derart brutal getreten und mit Eisenstangen geschlagen, dass er mehrere Schädelbrüche erlitt und anschließend im Koma lag. Dabei hatten die Gewalttäter es eigentlich auf jemand anderen abgesehen, sie hatten den Mann mit einem Kontrahenten verwechselt, mit dem sie wegen einer zugeparkten Garage in Streit geraten waren.

Die Tat ansich macht schon sprachlos, noch mehr aber das, was danach passierte: Im Dezember 2014 wurde der Fall vor dem Landgericht Köln verhandelt, der Richter verurteilte alle vier Angeklagten zu langen Haftstrafen. Doch wie der "Kölner Stadt-Anzeiger" nun berichtet, sind die Männer mittlerweile wieder auf freiem Fuß. Grund sollen mehrere Pannen auf Seiten der Justiz sein.

Denn das Urteil gegen die vier Männer wurde nie rechtskräftig, die Vier kamen nie in regulären Strafvollzug. Stattdessen saßen sie rund zwei Jahre lang in Untersuchungshaft, bevor das Oberlandesgericht (OLG) Köln entschied, dieser Zustand sei nicht länger zu rechtfertigen, und die Männer in die Freiheit entließ.

Staatsanwaltschaft und Landgericht Köln hatten dem Bericht zufolge versäumt, mehrere Schriftstücke fristgemäß fertigzustellen. So dauerte es nach der Urteilsverkündung im Dezember 2014 drei Monate, bis das Verhandlungsprotokoll vorlag, zitiert der "Kölner Stadt-Anzeiger" aus einer Mitteilung des Landesjustizministeriums. Diese Verzögerung bezeichnet das OLG demnach als "keineswegs hinnehmbar".

Insgesamt dreimal zeitliche Verzögerung

Als die Angeklagten Revision gegen das Urteil einlegten, kam es dann zur nächsten Verzögerung. Die Staatsanwaltschaft Köln brauchte über sechs Monate für eine Stellungnahme. Auch dies habe zu lang gedauert, so das OLG laut "Kölner Stadt-Anzeiger". Die dritte Zeitverzögerung passierte schließlich, als der zuständige Staatsanwalt Ende 2015 verfügte, die Akten zu dem Fall an die Bundesanwaltschaft zu schicken. Bis das geschehen war, verging dem Bericht zufolge ein weiterer Monat.

Die Justizpanne ist mittlerweile Thema im Landtag. Im Zeitungsbericht wird NRW-Rechtsausschussmitglied Dirk Wedel (FDP) zitiert: Der Fall sei ein deutliches Zeichen einer "strukturellen Überlastung der Justiz". Diese Begründung führen demnach auch die Leiter der Staatsanwaltschaft und des Landgerichts Köln an. Die zuständigen Kollegen seien überlastet gewesen, hätten zeitgleich mehrere weitere aufwendige Fälle betreut.

Laut "Kölner Stadt-Anzeiger" hat das Landgericht mittlerweile gehandelt und zeitweise weitere Strafkammern oder Hilfsstrafkammern eingerichtet. Außerdem solle geprüft werden, ob es auch in anderen Fällen zu ähnlichen zeitlichen Verzögerungen gekommen ist oder aktuell kommt.

Über den Fall der vier Kölner Gewalttäter entscheidet nun der Bundesgerichtshof. Sollte das 2014 gesprochene Urteil doch noch rechtskräftig werden, müssen die Männer wieder in Haft. Andernfalls wird ganz neu verhandelt.

(lsa)
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