Weiberfastnacht in Köln Hochsaison für Jecke, Alkohol und Leergutsammler

Köln · Seit dem frühen Donnerstagmorgen ist Köln im alljährlichen Ausnahmezustand. In der ganzen Stadt wird gefeiert, betrunkene Jecken und Leergutsammler feiern Hochsaison. Die Sturmwarnung hat viele schon früh in die Kneipen getrieben.

Vor dem "Bei Oma Kleinmann" auf der Zülpicher Straße hält ein Wolf das Rotkäppchen fest im Arm. Partnerkostüm? "Nee, heut erst kennengelernt", sagt der Wolf und zieht das Rotkäppchen, das er um zwei Köpfe überragt, noch ein bisschen näher an sich heran. Das betrunkene Mädchen mit dem roten Cape kichert. "Wir bleiben jetzt zusammen — bis Aschermittwoch", sagt der Wolf.

Das Quartier Latäng ist in dieser Session weniger voll als im vergangenen Jahr. Heribert Büth vom Kölner Ordnungsamt vermutet, dass das mit der Sturmwarnung für den Nachmittag zusammenhängt. "Viele sichern sich heute schon früh einen Platz in der Kneipe." Bis zum frühen Nachmittag werden einige Wildpinkler erwischt, die Polizei greift vereinzelt bei Streitereien ein — doch insgesamt verläuft alles sehr friedlich in Köln. Am Zülpicher Platz bekommt ein junger Mann einen Platzverweis, weil seine Waffe zum SEK-Kostüm täuschend echt aussieht.

Die Polizei hatte vor Karneval an alle Feiernden appelliert, möglichst auf Waffen jeglicher Art zu verzichten. Strafbar ist es nicht, Plastikpistolen- oder Handgranaten zu tragen, "aber die Waffe sah unsere Dienstpistole sehr ähnlich" sagt ein Polizeisprecher. Überall in der Stadt ist die erhöhte Polizeipräsenz sichtbar. Je mehr Alkohol fließt, desto mehr Sprüche müssen sich die Beamten anhören. "Da muss man durch", sagt einer und zuckt mit den Schultern. "Ist deine Uniform echt?" wurde er heute bestimmt schon 700 Mal gefragt, sagt er. Selfies mit Jungs, die sich als SEK-Beamte verkleidet haben, macht er schon seit Stunden nicht mehr.

Am Morgen sind die Tribünen am Alter Markt im Herzen der Altstadt schon um 10 Uhr voll besetzt. Die roten und grünen Federn an den Hüten einer Gruppe Offiziere wippen sachte beim Schunkeln hin und her. "Leev Marie, ich bin kein Mann für eine Nacht", tönt es aus den Boxen. Die Stadt gibt für den Nachmittag eine Sturmwarnung heraus, es wird sich zeigen, ob die Hüte Windstärke 11 standhalten. Der Kölner ist hart im Nehmen, wenn es um seine Lieblingsjahreszeit, den Karneval, geht. Schon 2016 wurde der Rosenmontagszug nicht abgesagt, während Düsseldorf und andere Städte wegen des Sturmtiefs "Ruzica" alles cancelten.

Das A3-Blitzer-Fiasko als Kostüm

Im Kölner Rathaus beweist eine Sprecherin der Stadt am Mittag Humor. Sie hat sich als "Miss Blitzer" verkleidet, trägt ein "60"-Schild und jede Menge Strafzettel an ihrem roten Frack. "Die Knöllchen sind alle echt", sagt sie. So lässt sich das Blitzer-Fiasko auf der A3 bei Köln vielleicht besser verarbeiten.

Auf der Zülpicher Straße grölen sie "Dausend Leeve". Im Eingang einer Bäckerei hält eine junge Frau den Kopf ihrer Freundin fest. Weiberfastnacht scheint schon gelaufen zu sein für sie. "Wir kriegen wir dich denn jetzt nach Hause?", fragt ihre Freundin. Keine Antwort.

Altweiber beim Karneval 2022: Köln feiert Weiberfastnacht
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Köln feiert Weiberfastnacht 2022

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Foto: dpa/Thomas Banneyer

Großkampftag für Flaschensammler

Für die Flaschensammler der Stadt ist Großkampftag. Tütenweise und in Einkaufswagen bringen sie das Leergut in Sicherheit. In der Kölner Altstadt und im Zülpicher Viertel gibt es ein Glasverbot, wie schon in den vergangenen Jahren. Die Jecken geben ihre Bierflaschen hier reihenweise ab.

Am Nachmittag kommt ein kleines Mädchen in der Linie 15 aus dem Staunen nicht heraus. Sie sitzt in ihrem Kinderwagen, mit offenem Mund, und wundert sich über den ganzen Glitzer, die vielen verkleideten Leute und die grell geschminkten Gesichter. Das Mädchen greift nach einem Zauberstab, den eine Fee neben ihm in der Hand hält. Die Fee steigt am Rudolfplatz aus, um weiter zu feiern. Den Zauberstab lässt sie dem Mädchen.

Am Spätnachmittag veröffentlichten Stadt, Polizei und Bundespolizei eine erste Bilanz und waren sich einig: "Alles sehr entspannt und ruhig." Bis 16 Uhr gab es zwölf Festnahmen und etwa 40 Körperverletzungsdelikte. Einem Mann wurde das Kostüm am Hauptbahnhof abgenommen, weil er eine echte bayerische Polizeiuniform trug.

2200 Polizisten waren in Köln im Einsatz, dazu kamen 300 Bundespolizisten. Am Bahnhof Süd hat die Bundespolizei die Einsatzkräfte am Nachmittag verstärkt, weil immer wieder Leute die Gleise überqueren. Im Bereich des Hauptbahnhofs wurden fünf Anzeigen wegen Diebstahls gestellt und eine wegen sexueller Belästigung. Mitarbeiter des Ordnungsamts erwischten 91 Männer beim "Wildpinkeln" und keine Frau. Zwei minderjährige Jugendliche mussten ihren Alkohol abgeben.

Die Rettungsdienste waren mit 340 Haupt- und Ehrenamtlichen im Einsatz. "Wir wurden so selten in Anspruch genommen wie noch nie an Karneval", sagt eine Sprecherin.

Am Kölner Dom wurde den ganzen Tag über der Wind gemessen. Doch der Sturm verschonte die Stadt. "Für den Abend gibt es aber eine weitere ernstzunehmende Sturmwarnung", sagte Sigrid Krebs vom Festkomitee Kölner Karneval. Ab 20 Uhr könnte es also doch noch ungemütlich werden.

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(hsr)
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