Crashkurs Karneval Wie in Köln Flüchtlinge das Schunkeln lernen

Köln · Menschen in albernen Kostümen und fliegende Süßigkeiten - weil Karneval ein echter Kulturschock sein kann, geben Flüchtlingshelfer in Köln eine Stunde "Karneval für Anfänger". Die Veranstaltung erklärt ein wenig, was sich mit der Silvesternacht verändert hat.

 Flüchtlinge schunkeln gemeinsam mit Flüchtlingshelfern beim Crashkurs "Karneval für Anfänger".

Flüchtlinge schunkeln gemeinsam mit Flüchtlingshelfern beim Crashkurs "Karneval für Anfänger".

Foto: dpa, obe kno

Peter Schmitz wundert sich ein wenig über die Übersetzer. "Ich sage einen Satz auf Deutsch und in Farsi werden da fünf draus", sagt er, nachdem seine Erläuterungen zu Flirtversuchen im Karneval recht umfänglich in die Fremdsprache übersetzt wurden.

Schmitz steht auf einer Bühne in einem Kölner Caritas-Zentrum. Er sieht aus, wie sich Rest-Deutschland einen echten Kölner in diesen Tagen vorstellen dürfte: imposante Statur, Schnauzbart, Narrenkappe. Vor ihm im Saal sitzen allerdings viele Menschen, die noch nicht so lange in Köln leben - etwa Flüchtlinge. Deswegen wird auch übersetzt.

Schmitz und die Caritas haben zu einer Unterrichtsstunde "Karneval für Anfänger" geladen, rechtzeitig bevor die jecken Hochburgen in den kollektiven Schunkelwahn verfallen. Unter den rund 120 Gästen sind Teilnehmer von Integrationskursen und Bewohner von Flüchtlingsheimen. Einige sind verkleidet. Der Sozialarbeiter will ihnen erklären, was es mit all dem auf sich hat: Küsschen, Kamelle und Lieder in tiefstem Dialekt. Zwischendurch fliegen tatsächlich Süßigkeiten. Es ist halb Lehrstunde, halb Karnevalssitzung. Zu Beginn wird erstmal eine Kapelle reingeholt, die "Denn wenn et Trömmelche jeit" (Denn wenn das Trömmelchen geht) spielt.

Pädagogen würden den Schmitzschen Ansatz wohl "niederschwellig" nennen. Zum Schunkeln erläutert er: "Einer hält den Arm so hin." Oder: "Immer, wenn etwas Gutes passiert ist auf der Bühne, gibt es einen Tusch." Etwas kompliziert wird es, als er erklärt, warum die Kölner in der Nacht zum Aschermittwoch den "Nubbel", eine Strohpuppe, verbrennen.

Dass die ganze Veranstaltung auch vor dem Hintergrund der Silvesternacht betrachtet wird, ist an den vielen Journalisten im Saal zu erkennen. Die Diskussion um Integration ist nach den Übergriffen, die vielfach von nordafrikanischen Männern ausgegangen sein sollen, nun eine andere. Schmitz selbst sagt, er habe sein Programm nicht groß verändert. Er hat diese Stunde auch schon mal vor Silvester gegeben, am 11. November. Da war das Interesse noch geringer.

Wobei, die Folien über Annäherungsversuche, die seien schon neu, sagt Schmitz. Auch wenn er dafür nicht allein Silvester als Grund nennen will. Sein Credo dazu: "Aber bitte mit Gefühl". Charmantes Flirten gehöre zum Karneval. Auf einem Bild ist dann ein Mann zu sehen, der einer Frau an die Brust fasst. Es ist durchgestrichen. Darüber steht "Das hat keinen Erfolg - gibt aber riesigen Ärger! Garantiert!!"

Das Publikum ist angetan. "Nennen Sie das doch nicht verrückt!", sagt der Syrer Munef Alyousef, angesprochen auf die Frage, ob Karnevalsbräuche nicht doch arg seltsam seien. Er finde das freundlich, die Kinder lachten. Die Iranerin Sahar Tazehkandy ist als Maus verkleidet. Karneval gebe es im Iran nicht. "Ich verstehe ein bisschen, aber noch nicht alles", meint die 23-Jährige.

Ganz praktische Probleme hat derweil Übersetzer Patrik Tomasan zu lösen. Er habe sich "einen Wolf gesucht", um "schunkeln" adäquat zu übersetzen, sagt er. Schließlich entschied er, es zu umschreiben. In Kulturen wie in Syrien oder Marokko könne so ein offener Umgang wie im Karneval wirklich ein Kulturschock bedeuten und falsche Signale aussenden. Das wolle man erklären. Er selbst habe seinen Kulturschock schon vor einiger Zeit erlebt. Tomasan ist im Iran aufgewachsen. Mit 13 beobachtete er erstmals einen Karnevalsumzug. "Für mich war komplett unverständlich, warum die so teure Schokolade durch die Luft werfen."

(lsa/dpa)
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