Prozess in Köln Autofahrer muss nach tödlichem Unfall 18 Monate in Haft

Ein 27-Jähriger muss in Haft, weil er mit seinem Auto frontal mit einem Motorradfahrer kollidiert ist. Der Motorradfahrer starb. Dass der Autofahrer möglicherweise vom Handy abgelenkt war, konnte ihm das Gericht nicht nachweisen. Er sagt, er sei eingeschlafen.

In Schlangenlinien fuhr Julian H. (Name geändert) am Nachmittag des 3. Februar vergangenen Jahres durch Köln-Porz. Der 27-Jährige war auf dem Weg zum Flughafen Köln/Bonn. Kurz vor dem Ziel kam es zu dem schweren Unfall, den ein Motorradfahrer nicht überlebte. Julian H. war in einer Rechtskurve weiter geradeaus gefahren. Der Motorradfahrer auf der Gegenfahrbahn hatte keine Chance auszuweichen, prallte frontal gegen den Skoda, der 48-Jährige flog meterweit durch die Luft und erlag noch an der Unfallstelle seinen Verletzungen.

Warum kam es am hellichten Tag und bei gutem Wetter zu diesem Unfall? War H. abgelenkt durch sein Handy? Oder wollte er einem Hasen ausweichen, so wie er es kurz nach dem Unfall der Polizei gesagt hatte? Diese Fragen musste am Dienstag das Kölner Amtsgericht klären, wo der Lagerist sich wegen fahrlässiger Tötung verantworten musste.

"Behauptung unter Schock"

"Es gab kein Handy und kein Ausweichmanöver", sagt sein Verteidiger gleich zu Beginn. Das mit dem Hasen habe sein Mandant nur unter Schock behauptet. In Wahrheit sei H. in einen Sekundenschlaf gefallen und erst durch den Aufprall geweckt worden. "Er würde gern tauschen und sein Leben geben - aber das geht leider nicht", sagt der Anwalt.

H. sei früh unterwegs gewesen an jenem Tag, weil er seinen Chef zum Düsseldorfer Flughafen gebracht habe, gegen vier Uhr früh sei er losgefahren. Und dann wird die Geschichte schräg, wie Staatanwaltschaft und Nebenklage-Vertreterin später bemerken. Denn H. macht sich nach der Düsseldorf-Fahrt noch auf den Weg zum Flughafen Köln/Bonn, um zu schauen, wie die Bedingungen dort sind — um drei Tage später nicht unsicher zu sein. Dann nämlich soll H. seinen Chef dort wieder abholen.

"Sie hatten nur drei Stunden geschlafen, waren müde, die Entscheidung, trotzdem noch nach Köln zu fahren, ist nicht nachvollziehbar", sagt der Staatsanwalt. Außerdem: "Die Zeiten passen überhaupt nicht." Der Unfall passierte um 13.20 Uhr - wie lange also will H. gebraucht haben von Düsseldorf nach Köln? Da erklärt H., er sei erst noch einmal nach Hause nach Engelskirchen gefahren zwischen den beiden Fahrten. Dieses Hin und Her ist für das Gericht nicht plausibel.

Mehrere Zeugen sagen im Gericht, dass H. seine Spur kaum gehalten hat, immer wieder auf die Gegenfahrbahn gekommen ist. Eine Frau hupte kurz vor dem Unfall hinter ihm noch, aber H. reagierte nicht.

Keine Lehre gezogen?

Obwohl ihm nach dem Unfall der Führerschein abgenommen wurde, geriet er drei Monate später mit dem Auto in eine Polizeikontrolle. "Ich wollte meine Freundin und deren Kind zum Arzt bringen", sagt der Angeklagte. Für das Gericht ist das ein Zeichen dafür, dass H. die Lage nicht besonders ernst genommen — und keine Lehre aus dem Unfall gezogen hat. Der Amtsrichter verurteilt ihn letztlich zu einer Haftstrafe von eineinhalb Jahren. Damit kann H., der nicht vorbestraft ist, nicht gerechnet haben. Ungläubig blickt er zu seinem Verteidiger.

Die Frau des Motorradfahrers verfolgt den Prozess, sie steht nach dem Tod ihres Mannes mit ihren sechs und acht Jahre alten Kindern vor dem finanziellen Ruin, wie ihre Anwältin sagt. "Wir sind sicher, dass er im Auto mit dem Handy rumgefummelt hat, aber können es ihm nicht nachweisen", sagt die Anwältin.

Ein gelöschter Chat

Experten hatten versucht, das Handy auszuwerten, da die Vermutung im Raum stand, H. habe Chats gelöscht. Einen hat er nachweislich auch gelöscht. Das Auslesen war aber technisch nicht mehr möglich. Das Mobiltelefon des 27-Jährigen war im vergangenen Jahr eines von 30, das die Kölner Polizei nach Unfällen mit schweren Folgen sichergestellt hat. 7400 Mal wurden im Jahr 2017 Verstöße geahndet — weil Fahrer während der Fahrt telefonierten oder chatteten. Das Dunkelziffer ist sehr hoch, wie die Polizei sagt. Und ein Nachweis immer schwierig.

(hsr)
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