Projekt Kölner baut Wohnboxen für Obdachlose

Der Kölner Fotograf Sven Lüdecke baut in seiner Freizeit Wohnboxen auf Rollen und verschenkt sie an Obdachlose. Die Stadt ist wenig begeistert von dem Projekt.

 Sven Lüdecke (l.) und Peter vor den Wohnboxen im Stadtwald.

Sven Lüdecke (l.) und Peter vor den Wohnboxen im Stadtwald.

Foto: Claudia Hauser

Als dieser nette Typ ihm sagte, dass er ihm gerne ein Häuschen schenken will, in dem er schlafen kann, dachte der Obdachlose Peter zuerst: "Okay, wo ist der Haken?" Peter lebt seit 15 Jahren auf der Straße, zuletzt schlief der 33-Jährige in einem Zelt im Kölner Stadtwald, immer gut bewacht von seinem Rottweiler-Mischling Butch.

Doch es gab keinen Haken. Der nette Typ, Sven Lüdecke, zimmert Wohnboxen auf Rollen und verschenkt sie an Obdachlose. Der 39-jährige Fotograf arbeitet bei einer Hotelkette. In einem Fernsehbericht wurde er auf einen Architekten aufmerksam, der in New York Hunderte Wohnkisten für Obdachlose aus Sperrmüll gebaut hat. Super Idee, dachte sich Lüdecke, und machte sich daran, die erste Schlafbox im Innenhof seines Wohnhauses in Porz-Zündorf zusammen zu bauen. Er will "eine Lücke schließen", wie er sagt. "Die Lücke zwischen dem Schlafen im Park oder unter einer Brücke und einer eigenen Wohnung."

Der Obdachlose Peter ist einer der ersten "Bewohner". Rottweiler Butch und er müssen jetzt nicht mehr im Zelt schlafen. Das 2,40 Meter lange, 1,60 Meter hohe und 1,40 Meter breite Häuschen auf Rollen gibt dem 33-Jährigen ein Gefühl von Sicherheit. Er kann von innen abschließen und strahlt über das ganze Gesicht, während er sein Häuschen zeigt. Eine Matratze ­— gestiftet von der Hotelkette — liegt darin, es gibt ein Fensterchen, eine Ablage und ein paar Haken, gerade hat Peter noch einen Flaschenhalter an die Wand genagelt.

Die Wände sind mit silbernen Rettungsdecken isoliert. "Sven ist ein großartiger Junge", sagt er. "Er hat uns quasi adoptiert". Peter, der aus der Tschechoslowakei stammt und dort als Holzfäller gearbeitet hat, packt jetzt selbst mit an, wenn es darum geht, neue Wohnboxen zu bauen. Lüdecke hat schon eine kleine Warteliste mit Namen von Obdachlosen, die gerne eine Box hätten. Eigentlich wollte er sich selbst eine neue Kamera zu Weihnachten schenken. Das Geld ist aber komplett für den Bau der Wohnboxen drauf gegangen — bis Ende des Jahres will er zehn Mini-Häuser fertig haben. "Wenn ich mir den Peter anschaue, wie der sich über das Haus freut, dann denke ich: Alles richtig gemacht. Peter strahlt wie ein Kind, das gerade sein Weihnachtsgeschenk ausgepackt hat." Dass er ein bisschen Normalität in das Leben einiger Obdachloser bringen könne, freue ihn sehr. "Ich weiß natürlich, dass ich nicht allen helfen kann — ich bin ja auch kein Sozialarbeiter."

 Ein kleines Zuhause: Peter und sein Hund Butch in der Wohnbox.

Ein kleines Zuhause: Peter und sein Hund Butch in der Wohnbox.

Foto: Lüdecke

Fast 1000 Euro hat er für das erste Haus aus eigener Tasche bezahlt. Inzwischen bekommt er Spenden: Holz, Matratzen, Teppiche. Ganz decken kann er die Kosten damit nicht. Nun will er mit neun Interessierten einen Verein gründen: Little Home. Sein Engagement hat sich herumgesprochen. Sogar das chinesische Staatsfernsehen war da, um über Lüdecke zu berichten. "Im Moment suche ich die Stopp-Taste", sagt er und lacht.

Die Stadt Köln wäre offenbar ganz froh, wenn er das komplette Projekt stoppen würde. "Für den dauerhaften Aufenthalt von Menschen sind diese Boxen mit Sicherheit nicht geeignet", sagt eine Sprecherin. Keine Heizung, kein fließendes Wasser, kein Kanal: "Das ist doch eine unwürdige Behausung." Vom fehlenden Brandschutz mal ganz abgesehen, sagt sie. Die städtische Bauaufsicht teilte Lüdecke mit, dass die Boxen eine Genehmigung brauchen. Mehrere Architekten wollen Lüdecke nun helfen und Baupläne entwerfen, die den Forderungen der Stadt genügen.

Ein weiteres Problem ist, dass die Boxen nicht einfach überall abgestellt werden können. Es bräuchte Grundstückseigentümer, die auf ihrem Grundstück die Verantwortung dafür übernehmen. "Was ist, wenn so ein Ding mal abbrennt und jemand zu Schaden kommt?", fragt die Stadtsprecherin.

Peter hofft, dass ihm niemand sein Häuschen wieder wegnimmt. Auch wenn es seitens der Stadt heißt: "Niemand muss in Köln auf der Straße schlafen" — die Realität sieht anders aus. "Klar kann ich in einer Notunterkunft pennen", sagt er. "Und was mach ich dann mit meinem Hund?" Außerdem seien dort oft schwer drogen- oder alkoholkranke Menschen, es werde viel geklaut, gebe oft Stress. "Da stehst du morgens unter der Dusche, kommst wieder raus und deine Sachen sind weg, weil es keine Möglichkeit gibt, sie einzuschließen", sagt er. Peter ist auch nicht der einzige Mensch ohne Zuhause, der keine Lust darauf hat, mit Fremden in einem Zimmer zu übernachten.

Weil die Little-Home-Aktion so große Aufmerksamkeit erzeugt hat — vor allem in den sozialen Netzwerken — könnten Peter und Butch bald ein noch solideres Zuhause haben: Peter wurde ein Wohnwagen angeboten, den er in der Nähe des Zündorfer Schwimmbades abstellen könnte. Er packt sich Sven Lüdecke und drückt ihn an sich. "Seit dieser Kerl aufgetaucht ist, läuft es echt gut." Am kommenden Wochenende bauen sie wieder zusammen am nächsten Häuschen. "Sei pünktlich!", ruft Lüdecke Peter noch zu. "Aber sicher", sagt Peter und lacht.

(hsr)
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