Mordprozess in Köln "Angeklagter zeigte unbedingten Vernichtungswillen"

Ein 48-Jähriger aus Dormagen ist vor dem Kölner Landgericht wegen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Während der Urteilsverkündung fiel er dem Vorsitzenden ins Wort.

Der Angeklagte am ersten Prozesstag im Januar.

Der Angeklagte am ersten Prozesstag im Januar.

Foto: dpa, mb axs

Es ist eine ungewöhnliche Szene, die sich am Mittwochnachmittag in Saal 29 des Kölner Landgerichts abspielt. Der Vorsitzende Richter will gerade das Urteil verkünden, alle im Saal stehen, da fällt der Angeklagte Christoph S. ihm ins Wort: "Kann ich bitte eine Erklärung verlesen?" Dass der Vorsitzende ihn gerade wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt hat, ist vermutlich komplett an ihm vorbeigegangen. Seine Angehörigen weinen hinten auf den Zuschauerbänken, sie haben das "lebenslang" gehört. Die Kammer gewährt dem Angeklagten ein letztes Mal Gehör. Eigentlich hätte der 48-Jährige alles, was er zu sagen hat, nach der Beweisaufnahme sagen müssen, in seinem letzten Wort.

Nun möchte er eine Art Teilgeständnis ablegen — was er eigentlich schon während der Verhandlung getan hat. "Es war Notwehr, aber der zweite Stich war unnötig, das ging über Notwehr hinaus", sagt Christoph S. Dann versteigt er sich zu den unterschiedlichsten Versionen. Am Ende versichert ihm der Vorsitzende: "Alles, was Sie sagen wollten, ist angekommen." Am Urteil ändert der Exkurs nichts. Der Vorsitzende verkündet es ein zweites Mal, wieder schluchzt eine Frau auf.

Die Schwurgerichtskammer hält die Notwehr-Version des Angeklagten für "in weiten Teilen nachträglich konstruiert und nicht glaubhaft" und ist davon überzeugt, dass Christoph S. seinen 30-jährigen Bekannten Marco H. (Name geändert) nach einem Streit um Drogengeschäfte am 10. Januar 2016 erstochen und die Leiche in einem Wald an der Landstraße 84 bei Lindlar verscharrt hat. Dabei half ihm ein Kumpel, der später sein Wissen an die Polizei weitergab.

Im April vergangenen Jahres entdeckte ein Reporter, an den der Mitwisser sich ebenfalls gewandt hatte, den Toten in einem Erdloch.

Am Tatabend saßen die beiden im Auto des Angeklagten, der einen Fahrerwechsel vorschlug, und Marco H. in einer Seitenstraße hinter dem Auto angriff. Dass er dem Toten später den Kopf abschneiden wollte, was ihm allerdings nicht gelang, begründete der Angeklagte damit, dass das Gesicht von weitem zu sehen gewesen sei im dunklen Wald. Der Vorsitzende sagt dazu: "Den Kopf hätte man auch tarnen können ." Die Kammer geht vielmehr davon aus, dass S. zu 100 Prozent sicher gehen wollte, dass sein Opfer tot ist. "Es zeigt den unbedingten Vernichtungswillen des Angeklagten."

S. hatte angegeben, Marco H. habe ihn erpresst und ihn mit dem Messer angegriffen. Doch die Kammer glaubt seiner Notwehr-Version nicht. Das Opfer stand offenbar in einer gewissen Abhängigkeit zu S., der Marco H. regelmäßig mit Drogen versorgte. "Das Opfer war stark drogenabhängig", sagt der Vorsitzende und S. habe als Dealer "auf der anderen Seite der Theke gestanden."

Rechtsanwalt Sebastian Schölzel, der in der Nebenklage die Verwandten des Opfers vertrat, sagte am letzten Verhandlungstag zum Angeklagten: "Dass Sie nie ein Wort des Bedauerns oder eines Mitgefühls geäußert haben, hat der Familie des Toten weh getan."

Der Angeklagte, dessen Verteidiger einen Freispruch gefordert hatten, antwortet nur: "Ich habe versucht, dass es nicht so weit kommt."

(hsr)
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