Wahl-Debakel Köln – die Unregierbare

Köln · Wahlpannen, Archiveinsturz, Opernneubau-Debakel - die Stadt Köln lässt keinen Skandal aus und wird von anderen Metropolen eher mitleidig belächelt. Doch im Chaos steckt auch der Stoff für Kreativität und urbanen Zusammenhalt.

Die beiden meistbesungenen Städte der Welt sind Neapel - und Köln. Und die beiden Schmuddelkinder des alten Europa haben auch sonst vieles gemeinsam: das katholische Erbe, die glorreiche Vergangenheit als einst wichtigste Metropolen Europas, die Kraft, sich immer wieder neu zu erfinden, und eben diese Stimmung, ob am Rhein oder am Golf von Neapel, die sich einstellt, wenn drei oder mehr Ureinwohner sich ein gefühliges Stelldichein geben.

Köln - das ist aber auch eine unglaubliche Abfolge von Pannen, Missgeschicken, Unzulänglichkeiten, Inkompetenz und Klüngelwirtschaft. Alles auf hohem Niveau. Denn längst hat es sich bis in die letzten Winkel der Republik herumgesprochen, dass Köln zwar eine lebenswerte und lebendige Stadt ist, aber armselig regiert wird. Über 20 000 Menschen beschäftigt die Stadtverwaltung als größter Arbeitgeber der Stadt - neben der Kirche und den Ford-Werken. Aber die scheinen sich vor allem selbst zu verwalten. Die einzelnen Amtsleiter und Ressortchefs führen oft ein Eigenleben, wie es nur in wenigen Administrationen in Deutschland anzutreffen ist.

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Da drückt schon mal eine Kulturdezernentin aufs Tempo beim Neubau der Oper, obwohl sie mit dem Baumanagement eigentlich nichts zu tun hat. Geht es dann schief, wie beim Zeitplan für das mit 270 Millionen Euro derzeit teuerste Bauprojekt der Stadt, ist sie als Kulturbeauftragte natürlich nicht verantwortlich.

Da kontrolliert ein Immobilienfonds namens Esch über Jahrzehnte fast alle wichtigen Vorhaben der Stadt, verdient mit einer Mischung aus Kungelei und Kumpanei zweistellige Renditen. Bricht das kriminelle System, an dem auch die einst renommierteste Privatbank Deutschlands, Sal. Oppenheim, beteiligt war, auseinander, kommt Fondsgründer Josef Esch mit einer Geldstrafe davon. Die Steuerzahler der Stadt dürfen die Folgen solcher Entwicklungspolitik bezahlen - mit überhöhten Mieten für Messeneubauten oder das neue technische Rathaus. Dass der damalige Oberstadtdirektor Lothar Ruschmeier (SPD) das Geschäft eingefädelt hatte und später Geschäftsführer des Fonds wurde, passt ins Bild.

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Foto: centertv

Die Kölner nehmen's hin wie das schwül-heiße Klima der Stadt im Sommer oder das Schmuddelwetter im Winter. "Wat willste maache" heißt es dann achselzuckend. Und im Kleinen funktioniert das Nehmen und Geben ja ebenfalls gut. "Mer kenne uns, mer helfe uns", so hat der frühere langjährige Oberbürgermeister Theo Burauen das System beschrieben. Auch Kölns letzter großer Oberbürgermeister, Konrad Adenauer, hatte für fast alle hochfahrenden Projekte immer Bauunternehmer Paul-Ernst Bauwens beauftragt, bevor der dann Patenonkel und Adoptivvater seines Enkels Paul Bauwens-Adenauer wurde. Und der baut noch immer einen Großteil der Prestigeobjekte.

Doch die enge Verzahnung von Geschäft und Politik, die vielen überteuerten, schlecht gemanagten Projekte, die kleinen und großen Skandale bei Müllverbrennungsanlagen oder falsch ausgezählten Stimmzetteln sind nur die eine Seite. Inmitten des Chaos ist auch eine kreative Szene entstanden. Köln ist Medienmetropole, hier wohnen so viele Internet-Gründer wie im Rest von NRW und mindestens genauso viele Künstler und Kulturschaffende. Inmitten des Chaos steht eine Gruppe engagierter Bürger auf, wenn andernorts in Deutschland die Gewalt gegen Ausländer und Migranten zunimmt. Mit "Arsch huh" und dem Keupstraßen-Fest, benannt nach dem Anschlag der Nazi-Terroristen des NSU, haben sie bundesweit Maßstäbe gesetzt.

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Foto: dpa, ah

Köln ist eben, wie es ist. Mit eigener Sprache, eigener Kultur, eigenem Bier, aber auch eigenem Politik-Stil. Über die Unzulänglichkeiten ihrer Stadtführung sind viele Kölner zu Recht verzweifelt. Das tut aber ihrer Liebe zu dieser ungebärdigen Stadt keinerlei Abbruch.

(kes)
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