Köln Porträt einer ungewöhnlichen Frau

Köln · Die Kölner Autorin Cornelia Scheel hat eine eindrucksvolle Biografie ihrer Mutter Mildred Scheel geschrieben. Das im Rowohlt-Verlag erschienene Werk wurde in der Wolkenburg vorgestellt. Hella von Sinnen las einige Passagen vor.

Diese Präsentation hätte Mildred Scheel mit Sicherheit gefallen. Die Vorstellung des Buches "Mildred Scheel - Erinnerungen an meine Mutter", geschrieben von ihrer Tochter Cornelia Scheel, war heiter und unangestrengt, gepaart mit ernsten und anrührenden Momenten. Entertainerin Hella von Sinnen las in der Wolkenburg einige Passagen aus dem Buch vor und traf dabei genau den richtigen Ton. So blieb Raum für befreiendes Lachen und nachdenkliches Innehalten.

Die glänzend geschriebene Biografie gibt den Blick frei auf ein besonderes Mutter-Tochter-Verhältnis. "Ich vermisse sie immer noch jeden Tag", sagt Cornelia Scheel. Das Band zwischen ihr und ihrer vor 30 Jahren gestorbenen Mutter sei unglaublich stark gewesen. Gleichzeitig gab es Phasen, in der die Elastizität dieses Bandes extrem beansprucht wurde. Das erste Mal gleich nach der Geburt von Cornelia. Sie kam unehelich zur Welt und verbrachte die ersten beiden Lebensjahre in einem Kinderheim. Dies erfuhr die heute 52-Jährige erst im Zuge der Recherchen fürs Buch.

Das Geheimnis hatte die Mutter mit ins Grab genommen. Die Erinnerung an die 1931 in Köln geborene und in Marienburg aufgewachsene Mildred Scheel ist nicht nur in ihrer Familie lebendig. Das erlebte die Autorin bei der Arbeit zu den jetzt vorgelegten Erinnerungen hautnah. Knapp zwei Jahre plante, recherchierte und schrieb Cornelia Scheel an der Biografie über ihre Mutter. Eigentlich hätte es ein Mehrteiler werden müssen, denn die Tochter des Radiologen Hubert Wirtz war Ärztin, Mutter von drei Kindern, Ehefrau des früheren Bundespräsidenten Walter Scheel, der Cornelia kurz nach der Hochzeit adoptierte. Und sie gründete im September 1974 die "Stiftung Deutsche Krebshilfe" und war über ein Jahrzehnt deren unermüdlichste Kämpferin. Das Buch ist in mehrerer Hinsicht bemerkenswert. Es zeichnet das Bild einer starken und einflussreichen Frau, die in kein gängiges Muster der damaligen Zeit zu passen schien: zunächst alleinerziehende Mutter; Präsidentengattin ohne Hang zum Protokollzwang; Engagement für ein "unbequemes" Thema, denn Krebs war Anfang der 1970er eine Krankheit, die stark tabuisiert war. Vor der Haustür der Villa Hammerschmidt in Bonn hätten sich einfachere Projekte finden lassen. Aber das Verharren in einer Komfortzone sei für ihre Mutter nie eine Option gewesen, sagte Cornelia Scheel. Interessant ist auch die zeitgeschichtliche Komponente des Buches. So sitzt der Leser gelegentlich im Haushalt des Bundespräsidenten mit am Küchentisch und erfährt, wie es war, ein Präsidentenkind zu sein. Einerseits war eine Kindheit und Jugendzeit mit den allgegenwärtigen Sicherheitsleuten im Nacken nicht spassig, andererseits wurde zum Beispiel das Phantasialand in Brühl nur für die Scheel-Kinder geöffnet.

Zurück zur Buchpräsentation in der Wolkenburg: Mildred Scheel hätte sie sich wohl am meisten darüber gefreut, dass der Schlussakkord ihrem Lebenswerk, der Krebshilfe, gehörte. Hella von Sinnen nannte das Spendenkonto, Cornelia Scheel wies darauf hin, dass sich in jedem Buch ein Überweisungsträger der Krebshilfe befindet.

(RP)
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