Silvesternacht in Köln Polizei-Leitstelle bestreitet Vertuschungsversuch

Köln · Das NRW-Innenministerium soll versucht haben, erste Polizeiberichte über die Silvesternacht von Köln zu beschönigen und den Begriff "Vergewaltigung" zu streichen. Polizei und Ministerium bestreiten den Vorwurf: Einen solchen Anruf habe es nie gegeben.

Chronik der Übergriffe in Köln: Die Ereignisse rund um die Silvesternacht
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Die Ereignisse rund um die Silvesternacht in Köln

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Foto: dpa/Markus Boehm

Das Landesamt für Zentrale Polizeiliche Dienste (LZPD) in Duisburg bestreitet nach Informationen unserer Redaktion, im Zusammenhang mit den Übergriffen von Köln einen Vertuschungsversuch unternommen zu haben. Der Kölner "Express" hatte zuvor berichtet, das LZPD habe am Neujahrstag die Kölner Polizei angerufen und eine Bitte des Landesinnenministeriums übermittelt - demnach habe eine Meldung über die Vorkommnisse der Silvesternacht storniert und der Begriff "Vergewaltigung" gestrichen werden sollen. Der Express hatte sich dabei auf interne Vermerke und E-Mails der Kölner Polizei berufen.

"Ein solches Telefonat hat es bei uns nicht gegeben", heißt es nun aus Duisburger Polizeikreisen.

Auch das Innenministerium dementiert kategorisch. Es habe am 1. Januar 2016 keinen Auftrag zur Stornierung der "WE-Meldung" des Polizeipräsidiums Köln zu den Ereignissen der Silvesternacht gegeben, hieß es in einer Mitteilung auf Anfrage der Nachrichtenagentur dpa. Auf Formulierungen der "Wichtige-Ereignis-Meldung" sei ebenfalls kein Einfluss genommen worden. Es habe nach Ministeriums- Erkenntnissen keine Telefonate der Landesleitstelle des LZPD mit der Kriminalwache des Kölner Polizeipräsidiums gegeben und auch keine Telefongespräche in dieser Angelegenheit zwischen der LZPD-Landesleitstelle und dem Dienstgruppenleiter des Lagezentrums der Landesregierung.

Damit steht nun Aussage gegen Aussage. Wie der "Express" berichtete, gaben zwei Kölner Dienstgruppenleiter zu Protokoll, dass es am Neujahrstag gegen 13.30 Uhr einen entsprechenden Anruf der Landesbehörde gegeben habe. Mehrere Politiker kritisierten NRW-Innenminister Ralf Jäger für das angebliche Vorgehen, Rücktrittsforderungen wurden laut.

Allerdings hat es aller Wahrscheinlichkeit nach Abstimmungsgespräche zwischen den Stellen gegeben. Der Lagedienst des Landeskriminalamts (LKA), der wiederum in Kontakt mit dem Lagezentrum des NRW-Innenministeriums stand, habe am Neujahrstag "Abstimmungsgespräche" mit der Kölner Kriminalwache geführt, berichtete der "Express".

Gegenstand der Telefonate seien "die Sachverhaltsdarstellung, die deliktische Einordnung der Straftatbestände, der Kräfteansatz der K-Wache und die polizeilichen Maßnahmen" gewesen. Laut "Kölner Stadt-Anzeiger" vom Mittwoch sagte Jägers Sprecher, es sei üblich, dass das LKA solche Abstimmungsgespräche eigenverantwortlich vornehme. Eine Information an Vorgesetzte im Ministerium habe es deshalb nicht gegeben.

Dies deckt sich mit den bisherigen Erkenntnissen im Innenausschuss des Landes. So ging am Neujahrstag im Ministerium aus Köln die Meldung mit dem Kürzel "WE" für "Wichtiges Ereignis" ein. Überschrift: "Vergewaltigung, Beleidigung auf sexueller Basis, Diebstahlsdelikte, Raubdelikte begangen durch größere ausländische Personengruppe".

Sie lag dem Chef der Polizeiabteilung im NRW-Innenministerium, Wolfgang Düren, vor. In der Innenausschusssitzung am 11. Januar sagte Düren, dass er beim Lesen der Meldung kein gutes Gefühl gehabt habe und es unmittelbar nach der Silvesternacht "intensive Kommunikation" mit der Kölner Polizei gegeben habe.

In der Kölner Silvesternacht hatten am Kölner Hauptbahnhof überwiegend aus dem nordafrikanischen Raum stammende Täter massive Übergriffe auf Frauen und Diebstahlsdelikte verübt. Laut einem am Dienstag bekannt gewordenen Bericht Jägers für die nächste Sitzung des Innenausschusses des Landtags sind unterdessen 153 Tatverdächtige bekannt. Davon seien 149 nicht deutscher Nationalität, 103 stammen demnach aus Marokko und Algerien.

(csh/mer/pst/AFP/dpa)
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