Köln Streunende Katzen: Viel Leid, kaum Abhilfe

Köln · Kranke und hungrige Streunerkatzen ziehen durch das Land. Als Lösung sehen Tierschützer die Kastrationspflicht für alle freilaufenden Katzen - aber nur wenige Kommunen schreiben das vor.

Hilfe für Streuner-Katzen in Köln
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"Langsam nimmt er zu", sagt Andrea Bensberg über Thommy. Der Kater, geschätzte drei Jahre alt, hatte es sich abgemagert und von Flöhen zerbissen in einem fremden Garten bequem gemacht, wo er das Futter mit der Hauskatze teilte. "Irgendwann muss er mal ein Zuhause gehabt haben", sagt Bensberg, die Vorsitzende des Kölner Katzenschutzvereins. Seit vier Wochen beherbergt sie Thommy nun. Mittlerweile geht es ihm besser, aber krank ist er immer noch.

Wie Thommy streifen rund zwei Millionen verwilderte Hauskatzen durch die Republik, schätzt der Deutsche Tierschutzbund. Vielen Tieren geht es schlecht, sie leiden ein oft kurzes Leben lang an Mangelernährung und Krankheiten. Tierschützer kümmern sich um sie, aber dauerhafte Hilfe könne vor allem eines schaffen, heißt es: Eine konsequente Kastrationspflicht für freilaufende Hauskatzen.

Mit seinen vielen großen Städten ist Nordrhein-Westfalen prädestiniert für die verwilderten Tiere - sie sind vor allem ein Problem der Ballungsräume, sagt Peter Schütz vom Landesumweltamt. An einigen Orten steige ihre Zahl daher an. Schütz kritisiert gedankenlose Besitzer. "Die Haltung wird oft hemdsärmelig angegangen." Unkastrierte Haustiere pflanzen sich mit verwilderten fort, die Population steigt weiter.

In Köln leben 20 000 verwilderte Streuner, schätzt Bensbergs Vereinskollegin Nadja Schiffer, die Zahl kursiere schon seit Jahren. Schnell könne sich an manchen Orten eine Population von 20 Streunern bilden, die auf ein, zwei ausgesetzte Katzen zurückgehen. Oft rufen die Anwohner dann den Katzenschutzbund an, der die Tiere einfängt. Mit regelmäßigem Füttern locken die Freiwilligen die Katzen an, bis sie sich in eine der Fallen trauen. Dann kommen sie zum Tierarzt, werden versorgt, registriert - und vor allem: kastriert.

Wie viele Katzen Andrea Bensberg gerade im Haus hat, weiß sie nicht genau - der Durchlauf ist groß. Sechs bis acht sind es in etwa. Die zahmen, gepflegten fänden recht schnell einen neuen Besitzer. Beim kranken Thommy wird es wohl noch dauern, bis sich jemand erbarmt. Restlos verwilderte Katzen werden aufgepäppelt und wieder ausgesetzt, sie sind Menschen nicht gewöhnt.

Das Leid der Katzen selbst ist nicht das einzige Problem. Die Streuner bedrohten die heimische Fauna, fürchtet der Landesjagdverband, etwa bodenbrütende Vögel wie den Kiebitz. Rund 10 000 wildernde Katzen haben Jäger zuletzt im Jahr geschossen - als letztes Mittel, wie ein Sprecher sagt. Denn eine Pflicht zur Kastration und Kennzeichnung der Tiere hält auch der Jagdverband für unabdingbar. Das Abschießen könne nur punktuell helfen, sagt das Landesumweltamt, Tierschutzvereine lehnen es kategorisch ab.

Die Tierheime sind mit den häufig im Frühjahr geborenen "Maikätzchen" überfordert, wie der Tierschutzbund warnt. Bereits mit sechs Monaten seien Katzen geschlechtsreif - Modellrechnungen ergeben erschreckende Zahlen von einer Viertelmilliarde Nachkommen innerhalb von zehn Jahren. Trotz der hohen Todesrate der Kätzchen steige die Gesamtzahl.

Bisher verpflichten laut dem Verband 71 Städte und Gemeinden im Land zur Kastration, bundesweit sollen es rund 250 sein. Düsseldorf ist nicht darunter. Hier leben rund 40 000 Streunerkatzen, wie Sonja Meier vom örtlichen Katzenschutzbund schätzt. Die betreuten Katzen seien meist recht fit - aber verwahrloste Tiere fänden in der Stadt nur wenig Beute. "Das Elend ist groß", bestätigt auch Ruth Kürten vom Katzenschutzbund in Essen. Eine Schätzung der Population kenne sie nicht, eine "ganze Masse" sei es aber.

Wo es sie gibt, scheint die Vorschrift zur Kastration allerdings zu wirken. "Hier gibt es einen leichten Trend zur Besserung", sagt Gabi Votsmeier vom Tierheim in Paderborn. Die Stadt war 2008 die erste mit Kastrationspflicht. Mittlerweile kommen etwas weniger Streuner im Tierheim an, wie Votsmeier sagt. Katzenbesitzer zeigten Einsicht, heißt es vom Ordnungsamt: Bisher habe die Stadt noch nie ein Bußgeld verhängen müssen, jeder Halter habe sein Tier auf Nachhaken kastrieren lassen.

(lnw)
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