Köln-Krimi Tödliche Reise in die Vergangenheit

Köln · Das ungleiche Ermittler-Duo Max und Harry ist den Mördern eines alten Freundes auf der Spur. Dabei geht es auch um die Gentrifizierung von Ehrenfeld.

Köln-Krimi: Tödliche Reise in die Vergangenheit
Foto: Eppinger, Stephan

Igor gehört nicht gerade zu den Menschen, die mit der Zeit gehen. In seinem eigenen Rhythmus lebt der Ehrenfelder in seinem alten Haus in der Stammstraße. Dass sich sein Veedel draußen vor der Tür stetig verändert, ignoriert der Thrillerautor und Sammler von Film-Memorabilia konsequent - er lebt in seiner ganz eigenen vollgestopften Welt zwischen Filmplakaten, Kinosesseln und an deren Erinnerungsstücken.

 Der Heliosturm ist das Markenzeichen des Stadtteils. Um den Leuchtturm herum ändert sich deas Veedel rasant. Immer mehr neuer und teurer Wohnraum entsteht auf der alten Industriebrache.

Der Heliosturm ist das Markenzeichen des Stadtteils. Um den Leuchtturm herum ändert sich deas Veedel rasant. Immer mehr neuer und teurer Wohnraum entsteht auf der alten Industriebrache.

Foto: Eppinger

Draußen wird aus dem einst verruchten Ehrenfeld ein angesagtes Stadtquartier, in dem die Mieten explodieren. Igor bleibt dagegen lieber in seiner eigenen Welt oder trifft sich in seiner Stammkneipe "Geiger" mit seinen Freunden Harry und dem Wirt Max. Aktiv wird er erst, als er erfährt, dass ein Mann sich in seiner Nähe aufhält, der vor 35 Jahren an einem brutalen Diamentenraub in Amsterdam beteiligt war.

Igor beginnt den Fall neu aufzurollen. Doch bevor er zum Zuge kommt, verunglückt er mit seinem Oldtimer bei Grevenbroich tödlich. Seine beiden Kneipenkumpel wollen nicht so recht an einen normalen Unfall glauben. Bestärkt werden sie darin, weil ein mysteriöser Abschiedsbrief Igors auftaucht, der sie zu einem Film führt. Dieser zeigt, dass ihr Freund näher an dem Verbrechen dran war, als ihnen lieb ist.

Und Max erkennt im Film mit seinem alten Kampfsportlehrer Bruno einen direkt am Überfall Beteiligten. Er fährt zu ihm auf dessen Bauernhof und stellt ihn zur Rede. Nur kurze Zeit später wird sein großes Vorbild erschossen, nachdem er sich zuvor noch einen heftigen japanischen Schwerkampf mit den Angreifern geliefert hat.

Um so weiter das Ermittlerduo Max und Harry in dem Fall vorwärtskommt und so näher gelangen beide an ihre eigene Vergangenheit. In der 70er Jahren gehörten sie der linken Bewegung an, trugen lange Haare, hörten Van Morrison und reisten zugedröhnt durch Europa. Jetzt Jahrzehnte später wird vor allem Max mit seinen Lebensidealen von damals konfrontiert und muss sich fragen, was er aus seinem Leben gemacht hat. Ein Teil seiner alten Bekannten scheint sich damals, wie bei dem Überfall, der linken Terrorszene zugewandt haben.

"Ehrenfeld Blues" ist ein Köln-Krimi, der über ein sehr ungleiches Ermittlerpaar verfügt. Etwas erinnern die beiden an den berühmten Sherlock Holms und seinen treuen Gefährten Watson. Während Harry die großen, komplizierten Theorien zu Lösung des Falls entwickelt, setzt Max eher auf ganz praktische naheliegende Dinge und findet eher einfache Lösungen für ziemlich komplexe Sachverhalte. Spannend ist der Krimi auch vor dem Hintergrund des sich wandelnden Veedels Ehrenfeld.

Autor Stefan Winges lebt und arbeitet selbst im Stadtteil, und zwar in der Stammstraße, wo das erste Opfer Igor seinen Lebensmittelpunkt hat. Zudem ist Winges Kampfsportlehrer und verfügt als Antiquar auch über eine große Affinität zu alten Filmen. Sein neuestes Buch ist ein spannender psychologischer Krimi über eine Welt, die aus den Fugen gerät, weil ihre Protagonisten von ihrer Vergangenheit brutal eingeholt werden, und sich gleichzeitig einer Zukunft stellen müssen, in der ihre alten Werte erneut in Frage gestellt werden.

Stefan Winges: Ehrenfeld-Blues, Emons-Verlag, 336 Seiten, 11.90 Euro.

Stephan Eppinger

(RP)
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