Prozess in Köln Keine Haft für 93-Jährigen nach Beil-Attacke auf Ehefrau

Köln · Mehr als 50 Jahre führten sie eine gute Ehe. Dann schlug ein 93-Jähriger aus Köln im Eifersuchtswahn mit dem Küchenbeil auf seine Frau ein. Ins Gefängnis muss der gebrechliche und fast blinde Mann dafür nicht. Am Mittwoch fiel das Urteil.

Rechtsanwalt Steffen Eckhard ohne Mandant: Der 93-Jährige war zu krank, um am Prozess teilnehmen zu können.

Rechtsanwalt Steffen Eckhard ohne Mandant: Der 93-Jährige war zu krank, um am Prozess teilnehmen zu können.

Foto: Claudia Hauser

Der Platz des Angeklagten bleibt auch am Tag der Urteilsverkündung leer. Enzo K. (Namen geändert) ist zu schwach, zu krank, ein Transport ins Gerichtsgebäude hätte dem fast 94 Jahre alten Mann zu viel abverlangt. Doch auch der Platz der Nebenklägerin, seiner Frau Luisa, ist frei. Die 87-Jährige hat ihrem Mann längst verziehen, dass er sie beinahe getötet hat — mit einem Fleischerbeil.

Seit 52 Jahren ist das Paar verheiratet, keinen Tag waren die beiden in dieser Zeit getrennt. Nun lebt sie in einem Heim, getrennt von ihrem Mann, und wünscht sich nichts sehnlicher, als wieder bei ihm zu sein. Das hat sie dem Gericht geschrieben, im Zeugenstand gab sie vor, sich nicht an die Tat zu erinnern. Sie sei in kaputte Glasflaschen gefallen, sagte sie, als man sie nach den Verletzungen fragte.

Es ist ein außergewöhnlicher Fall, über den die 5. Große Strafkammer des Kölner Landgerichts urteilen musste, "ein tragisches Geschehen", wie der Vorsitzende Richter sagt. Angeklagt war der 93-Jährige wegen versuchten Totschlags. Doch er muss für seine Tat, die er gestanden hat, weder in ein Gefängnis noch in die Psychiatrie. Der gebrechliche Mann ist schuldunfähig, leidet an Demenz und hat seit der Tat derart körperlich abgebaut, dass die Kammer am Mittwoch entscheidet, ihn in dem geschlossenen Heim zu lassen, in dem er derzeit betreut wird. Eine Unterbringung in einer Psychiatrie sei eine "zu einschneidende Maßnahme", sagt der Vorsitzende.

Enzo K. hat am 21. Mai 2016 im Eifersuchtswahn mit einem kleinen Fleischerbeil auf seine Frau eingeschlagen. In einem "paranoiden Erleben", wie die psychiatrische Sachverständige sagte, hatte K. sich in die Vorstellung hineingesteigert, seine Frau würde ihn hintergehen und mit einem Nachbarn aus dem Mehrfamilienhaus in der Kölner Südstadt betrügen. Er war davon überzeugt, das dieser Nachbar immer dann in seine Wohnung kommt, wenn er gerade einkaufen war. Auch hatte K. Angst, seine Frau könnte ihn vergiften.

Mit seiner Frau hat er nie über seine Gedanken gesprochen. Als der fast blinde Mann zum Küchenbeil griff und 48 Mal auf Luisa K. einschlug war er nach Überzeugung des Gerichts in einem paranoiden Zustand. Eine Nachbarin kam zu Hilfe, sonst hätte Luisa K. den Angriff nicht überlebt - auch davon ist die Kammer überzeugt. "Mit dem Beil hätte man einen Schädel durchaus spalten können", hatte ein Rechtsmediziner im Verfahren gesagt.

Trotz der "äußerst gefährlichen Gewalthandlung" geht die Kammer nicht davon aus, dass es zu einer weiteren Tat kommen kann. "Er ist fast blind und weiß nicht, wo seine Frau lebt", sagt der Vorsitzende. Die Türen des geschlossenen Heims stehen dem Senior nicht offen. Der Konflikt sei außerdem vor allem entstanden, weil das Paar in der gemeinsamen Wohnung regelrecht aufeinander hockte und komplett mit dem Alltag überfordert war. Luisa K. sitzt im Rollstuhl, hat einen gelähmten Arm, ihr Mann war schon allein mit dem Gang in den Supermarkt heillos überlastet.

Luisa K. kann ihren Mann nun besuchen, wenn sie möchte. "Ich hab ihn genauso lieb wie vorher", hatte sie im Zeugenstand gesagt und dabei geweint.

(hsr)
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