Verwaltungsgericht Köln Flüchtling darf nicht nach Ungarn abgeschoben werden

Köln · Wegen "systemischer Mängel im Asylverfahren" darf ein irakischer Flüchtling nicht von Deutschland in sein Ersteinreiseland Ungarn abgeschoben werden. Das hat das Verwaltungsgericht Köln am Donnerstag entschieden. In Ungarn können rücküberstellte Asylbewerber bis zu sechs Monate in Haft genommen werden.

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Foto: Köhlen, Stephan (TEPH)

Mit dem Urteil hat die Kammer die Abschiebungsanordnung aufgehoben. Der Iraker hatte im März 2015 in Deutschland Asyl beantragt. Er war jedoch bereits in Ungarn als Asylsuchender registriert. Nachdem die ungarischen Behörden erklärt hatten, den Mann zu übernehmen, lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den in Deutschland gestellten Asylantrag ab und ordnete die Abschiebung nach Ungarn an.

Kläger traute ungarischen Behörden nicht

Er traue den ungarischen Behörden nicht, äußerte der Iraker im Prozess. Als Opfer eines Bombenanschlages habe er ein Auge und einen Teil eines Beines verloren und sei daher behandlungsbedürftig. In Ungarn habe man sich jedoch nicht um seine Verletzungen gekümmert und ihn stattdessen in Haft genommen, ohne ihn über das Asylverfahren zu informieren.

Das Gericht begründete seine Entscheidung damit, dass es in Ungarn systemische Mängel des dortigen Asylverfahrens und der dortigen Aufnahmebedingungen gebe. Nach dem ungarischen Recht könnten die rücküberstellten Personen für bis zu sechs Monate in Haft genommen werden.

Asylhäftlinge werden "in erniedrigender Weise vorgeführt"

Davon machten die ungarischen Behörden auch flächendeckend und ohne Einzelfallprüfung Gebrauch, heißt es in der Urteilsbegründung. Rechtsschutz gegen die Verhängung der Haft gebe es praktisch nicht. Während der Haft würden die Asylhäftlinge beispielsweise bei Behörden- oder Arztbesuchen in erniedrigender Art und Weise "angeleint" vorgeführt.

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Foto: dapd, dapd

Außerdem sei eine medizinische Betreuung oft nicht gewährleistet und die Hafteinrichtungen erfüllten nicht die hygienischen Mindeststandards.Das Gericht stellte außerdem heraus, dass die Aufnahmekapazitäten in Ungarn erschöpft seien. Auf 2.500 Aufnahmeplätze kämen bereits im ersten Halbjahr 2015 rund 70.000 eingereiste Flüchtlinge. Von einer menschenwürdigen Unterbringung weiterer Flüchtlinge könne daher nicht ausgegangen werden.

(rpo)
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