Kriegsende Vor 70 Jahren befreiten die Alliierten Köln

Köln · Vor 70 Jahren wurde Köln als erste deutsche Metropole von den Alliierten befreit. Plötzlich fand sich der Schriftsteller George Orwell im Land der Herrenmenschen wieder - und wunderte sich.

Kriegsende: Vor 70 Jahren befreiten die Alliierten Köln
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Am 6. März 1945 rücken amerikanische Truppen in das linksrheinische Köln vor. Zunächst scheint es, als kämen sie in eine Geisterstadt. Dann aber tauchen die Bewohner auf - sie kriechen aus der Erde. Dort fristen sie ihr Dasein in Kellern und Tiefbunkern, die über Durchbrüche zu einem kilometerlangen Stollensystem verbunden worden sind. Köln hat sich unter die Erde verlagert.

Die Einnahme der ersten deutschen Metropole hatte lange auf sich warten lassen, wenn man bedenkt, dass Aachen schon am 21. Oktober 1944 befreit worden war. Die Amerikaner hatten ursprünglich geglaubt, den Krieg bis Weihnachten beenden zu können. Doch dann kamen sie in den Hürtgenwald - und erlebten ein Desaster: Stacheldrahtfallen, Minenfelder, Sprenggranaten. Etwa 22 000 US-Soldaten starben. Der finstere Forst wurde zur "Totenfabrik", wie es der Schriftsteller Ernest Hemingway formulierte, der als Kriegsberichterstatter mitzog.

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Kölner betrachteten sich als Opfer

Als die Amerikaner im März 1945 endlich das Torgitter des Kölner Gestapo-Gefängnisses Klingelpütz öffneten, wankten ihnen die unterschiedlichsten Gestalten entgegen: ein holländischer Zwangsarbeiter, der immer wieder auf Deutsch rief: "Wir dürfen nie vergessen!" Ein auffallend hübsches Mädchen aus Brüssel, dem ein blauer Regenumhang wie ein Engelsgewand von den Schultern fiel - die 19-Jährige hatte einem RAF-Piloten auf der Flucht geholfen. Ein über und über mit den Spuren schwerer Misshandlungen bedeckter KZ-Häftling, ehemals Kellner in Paris.

Ihr Anblick hätte die Kölner daran erinnern können, warum ihre schöne Stadt vom Erdboden hinweggefegt worden war, doch nach übereinstimmender Beobachtung alliierter Offiziere und Kriegsberichterstatter betrachteten sich sämtliche überlebende Kölner als Opfer. "Wir haben nichts Unrechtes getan; wir sind keine Nazis" - es waren die immer gleichen Beteuerungen, die die US-Reporterin Martha Gellhorn zu hören bekam: "Man fragt sich, wie die verabscheute Nazi-Regierung, der niemand Gefolgschaft leistete, es fertigbrachte, diesen Krieg fünfeinhalb Jahre lang durchzuhalten."

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Es freuten sich allerdings auch nur die Deutschen auf der befreiten linken Seite des Flusses - vom anderen Ufer aus wurde noch kräftig weitergefeuert. Erst nach mehr als einem Monat besetzten amerikanische Truppen in der zweiten Aprilwoche schließlich auch das rechtsrheinische Stadtgebiet.

George Orwell berichtete aus Köln

Der Schriftsteller George Orwell berichtete noch im März für den britischen "Observer" aus Köln. Er empfand es als "ausgesprochen seltsam", sich plötzlich im Land des Kriegsgegners zu befinden: "Die Propaganda, vor allem ihre eigene, hat uns glauben gemacht, dass sie alle hochgewachsen, blond und arrogant seien. Was man in Köln jedoch tatsächlich sieht, das sind eher gedrungene, dunkelhaarige Menschen, offensichtlich demselben Schlag zugehörig wie die Belgier jenseits der Grenze. Jedenfalls sind sie keineswegs besonders auffällig."

Nach Schätzungen hielten sich beim Einmarsch der Amerikaner nur noch etwa 85 000 Menschen in der Stadt auf, ein Bruchteil der vor dem Krieg 772 000 Einwohner. Die Altstadt war zu 90 Prozent vernichtet, die Stadt insgesamt zu 70 Prozent. Damit war Köln härter getroffen als alle anderen deutschen Großstädte.

Für den restlichen Teil des späteren Nordrhein-Westfalens dauerte es noch Wochen, bis der Krieg vorbei war. Vor allem um das Ruhrgebiet - die Rüstungsschmiede des Reiches - tobte im April eine verlustreiche Kesselschlacht. Symbolisiert wird das Kriegsende an Rhein und Ruhr aber bis heute durch ein Bild aus Köln: der tiefschwarze Dom, der sich einsam aus der unübersehbaren Trümmerwüste erhebt.

(lnw)
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