Wohnungssuche in Köln Wohin mit Tommy?

Köln · Tommy Henning ist Nichtraucher, hat einen festen Job und keine Haustiere, aber in Köln findet er einfach keine Wohnung. Und weil er nicht der einzige ist, dem es so ergeht, macht er nun auf Facebook auf sich aufmerksam.

 Auf Wohnungssuche in Köln: Tommy Henning.

Auf Wohnungssuche in Köln: Tommy Henning.

Foto: Henning

Es ist drei Jahre her, da war Tommy Henning für eine Woche auf Köln-Besuch, stand mit einem Becher Kaffee vor einer Bar an der Aachener Straße, schaute an den Fassaden der schmucken Gründerzeitgebäude hoch und wusste: "Hier will ich mal wohnen." In der vergangenen Woche ist der 37-jährige Grafikdesigner schließlich von Stuttgart nach Köln gezogen. "Von Stuttgart aus war es unmöglich, eine Wohnung zu finden, da war ich oft zu spät und es hieß nur noch: 'Tut mir leid, wir hatten 248 Anfragen.'", sagt Henning. Fürs Erste ist er nun bei einer Freundin in der Kölner Südstadt untergekommen, die zur Zeit in Afrika ist. Seine Möbel hat er eingelagert.

Mit einer Suchanzeige in der Facebook-Gruppe "Nett-Werk" versucht er nun, "irgendwie aus der Masse der Wohnungssuchenden herauszustechen", wie er sagt. "Wohin mit Tommy in Köln?" steht über dem Gesuch, das er am Dienstag gepostet hat. Auf dem Foto dazu sitzt Henning auf einem grünen Sessel mitten auf der Straße, neben ihm stehen ein paar Umzugskisten. "Hey, ich bin Tommy, Single, berufstätig und auf verzweifelter Wohnungssuche in Köln", schreibt er. Er sei Nichtraucher aus Überzeugung, heimlicher Nutella-Fan, kein Partymensch, tierlieb, ohne aber einen Hund oder eine Katze zu haben, dazu ausgeglichen, ordentlich und ruhig — klingt nach einem perfekten Mieter.

Das Problem ist: Viele suchen exakt eine solche Wohnung, die auch Tommy Henning gern hätte: 45 bis 55 Quadratmeter, zwei Zimmer. "In Köln sind 50,5 Prozent der Wohnungen Ein-Personen-Haushaushalte", sagt Hans Jörg Depel vom Mieterverein Köln. Die Lebensformen haben sich verändert — es gibt auch Paare, die in getrennten Wohnungen leben, oder eben Singles wie Tommy Henning, die "früher mit fast 40 ein alter Junggeselle gewesen wären, es heute aber völlig normal ist, dass man in dem Alter unverheiratet und allein lebend ist", wie Depel sagt.

Für eine etwa 60 Quadratmeter große Wohnung aus den 1970er Jahren ohne besondere Ausstattung wie etwa Parkettboden liegt der Quadratmeterpreis in einem recht angesagten Viertel wie Ehrenfeld laut Depel bei 7,40 bis zehn Euro — in der Theorie zumindest. Tatsächlich verlangen Vermieter oft mehr, sobald jemand aus- und ein neuer Mieter einzieht. Schlange stehen die Nachmieter ohnehin.

In Nordrhein-Westfalen konzentriert sich der Ansturm der Mieter auf fünf Städte: Köln, Düsseldorf, Bonn, Aachen und Münster. "Alles gleichzeitig Universitätsstädte — in Gelsenkirchen oder Wuppertal ist der Markt entspannter und die Wohnungen natürlich günstiger", sagt Depel. Früher seien Studenten nach dem Studium zurück in ihre Heimatstädte gegangen, heute bleiben sie in den Studentenstädten wohnen, weil sie dort alles finden, was sie wollen, sagt Depel.

Laut städtischer Bevölkerungsprognose werden bis zum Jahr 2040 rund 180.000 Menschen mehr in Köln leben als heute. Im vergangenen Jahr sind fast 3100 Menschen zugezogen. Zur Zeit wohnen 1.084.795 Menschen in Köln. Es fehlt vor allem an Sozialwohnungen. "45 Prozent der Kölner haben Anspruch auf einen Wohnberechtigungsschein", sagt Depel. "Es müsste dringend Geld in den sozialen Wohnungsbau investiert werden."

Bis 2030 will die Stadt 52.000 neue Wohnungen bauen. Ein Ziel ist, "jährlich 1000 öffentlich geförderte Wohnungen zu bauen", wie es im Stadtentwicklungskonzept "Wohnen" heißt.

Tommy Henning kann noch bis Ende Mai in der Wohnung seiner Bekannten bleiben. Er hofft, bis dahin eine Bleibe gefunden zu haben. Bis zu 800 Euro wäre er bereit zu zahlen. Denn eins wird er nicht tun: Zurück nach Stuttgart gehen. "Köln ist so authentisch, das gefällt mir, ich hab mich einfach in die Stadt verliebt", sagt er. Einige haben seinen Facebook-Post kommentiert. Eine junge Frau schreibt: "Das ist mal mit die genialste Anzeige, die ich je gesehen habe." Einen guten Tipp für eine Wohnung hat sie nicht. Sie schreibt: "Ich drück dir die Daumen — bin selbst auf der Suche und weiß, dass man daran verzweifeln kann."

(hsr)
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