Kölner Polizeipräsident Albers Ein Rücktritt mit Anlauf

Köln · Wolfgang Albers, Polizeipräsident von Köln, hat in seiner Amtszeit einige Skandale überstanden. Doch nach den Übergriffen an Silvester musste der gebürtige Münchner seinen Hut nehmen. Er hatte sich in zu viele Widersprüche verwickelt.

 Wolfgang Albers war wegen der Informationspolitik der Kölner Polizei in die Kritik geraten.

Wolfgang Albers war wegen der Informationspolitik der Kölner Polizei in die Kritik geraten.

Foto: ap

In Wolfgang Albers kargem Besprechungszimmer in der fünften Etage des Kölner Polizeipräsidiums hängen die Führungsleitsätze der Polizei an der Wand. Einer davon lautet: "Unangemessenes Auftreten und Verhalten sprechen wir an." Ein Satz, dem sich der 59-Jährige stets verpflichtet gefühlt hat.

Doch genau an diese Maxime, so werfen es ihm seine Kritiker nun vor, habe er sich bei der Aufklärung zu den Geschehnissen in der Silvesternacht am Kölner Hauptbahnhof nicht gehalten. Statt deutlich anzusprechen, dass es sich bei einigen der Täter möglicherweise um Flüchtlinge handeln könnte, erklärte er am 5. Januar auf einer Pressekonferenz im alten Kölner Rathaus, dass er "keine Erkenntnisse über die Täter" habe.

Ein internes Polizeiprotokoll, das unserer Redaktion vorliegt (hier der Bericht als PDF), sagt etwas anderes. Demnach gab es bis 5.50 Uhr 71 Personalienfeststellungen durch die Polizei und zehn Platzverweise. Zudem wurden vier mutmaßliche Täter vorläufig festgenommen und 32 Anzeigen von Opfern gestellt. Gefertigt wurde dieses Protokoll bereits am 2. Januar, also drei Tage vor der Pressekonferenz.

Wusste Albers nichts vom Inhalt des Berichts? Verschwieg er aus politischen Gründen die Herkunft der Täter? Waren es vielleicht einsatztaktische Gründe, die ihn dazu bewogen zu sagen, dass er nichts über sie wüsste? Oder wurde er einfach falsch verstanden? Albers schwieg.

Erst gestern, zwei Stunden bevor Innenminister Ralf Jäger (SPD) vor die Presse trat, um seine Versetzung in den einstweiligen Ruhestand zu verkünden, schilderte er seine Sicht der Dinge. Ihm vorzuwerfen, er habe die Herkunft von Tatverdächtigen verschleiert, sei "vollkommen abstrus". Er habe stets betont, dass sich bei den Personenkontrollen auch Betroffene mit vom "Bundesamt für Migration und Flüchtlinge" ausgestellten Dokumenten ausgewiesen hätten.

Doch seine Beteuerung kam zu spät. Das Urteil über ihn war da schon längst gefallen, sein "Rauswurf" wohl schon längst beschlossene Sache gewesen. Der Druck der Öffentlichkeit war zu groß geworden, so dass der Innenminister die Reißleine ziehen musste und ihn in den Ruhestand schickte: "Herr Albers hat für meine Entscheidung großes Verständnis aufgebracht. Das verdient Respekt", sagte Jäger.

Aus Kölner Polizeikreisen heißt es, die Amtsenthebung des gebürtigen Münchners sei das Ende eines langen Missverständnisses. Auf den Fluren des Kölner Polizeipräsidiums war es seit langem ein offenes Geheimnis, dass der Graben zwischen Albers und einem Großteil seiner Untergebenen zu groß war, um ihn noch kitten zu können. Spätestens sein Verhalten im "SEK-Skandal" im vergangenen Sommer brachte bei vielen Kölner Beamten endgültig das Fass zum Überlaufen, weil er eigenmächtig eine SEK-Einheit wegen umstrittener Aufnahmerituale auflöste und darüber hinaus noch einen internen Sonderermittler einstellte, der "viele von uns mit seinen Nachfragen nervte", so ein Kriminalbeamter. Der Vorwurf, den man Albers in dieser Affäre unter anderem machte, war, dass er sich nicht deutlich vor "seine Mannschaft" stellte. Auch damals fühlte Albers sich missverstanden, ungerecht behandelt. Weggefährten wollen ausgemacht haben, dass er sich seitdem immer weiter von seinen Kollegen entfernte, in sich gekehrt wirkte.

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Dabei stand Albers vor fünf Jahren eigentlich vor einer vielversprechenden Zukunft. Als er am 1. Oktober 2011 das Amt von Klaus Steffenhagen übernahm, der seinen Rücktritt eingereicht hatte, sahen nicht wenige in dem studierten Juristen einen Hoffnungsträger, der mit neuen Konzepten frischen Wind ins Polizeipräsidium bringen werde. Albers kündigte an, dass Sicherheitsgefühl der Bürger zu stärken und dafür sorgen zu wollen, dass die Stadt sicherer werde. Er soll sogar davon gesprochen haben, Köln zu einer der sichersten Millionenstädte Europas zu machen. Insgesamt, sagte er bei seinem Amtsantritt, freue er sich auf seine neue Arbeit, die für ihn eine besondere Herausforderung sei.

Eine Herausforderung, die offenbar zu groß für ihn war. Denn schnell musste Albers feststellen, dass er seinen vollmundigen Ankündigungen kaum Taten folgen lassen konnte. Stattdessen leistete er vor drei Jahren einen Offenbarungseid, in dem er öffentlich verlauten ließ, dass seine Behörde nicht mehr in der Lage sei, wirkungsvoll gegen Einbrecher vorgehen zu können. Ein ehrliches Eingeständnis, das jedoch bei vielen Bürgern Angst auslöste - und für die Albers viel Kritik einstecken musste. Auch im Innenministerium in Düsseldorf soll man über so viel Offenheit verstimmt gewesen sein. Albers fühlte sich missverstanden.

Ins Zentrum bundesweiter Kritik geriet Albers erstmals im November 2014 wegen der massiven Ausschreitungen während der Demonstration "Hooligans gegen Salafisten", kurz "Hogesa". Wegen einer völlig falschen Lagebeurteilung kam es in der Kölner Innenstadt zu stundenlangen Straßenschlachten zwischen rechtsorientierten Hooligans und Linksextremisten.

Die Polizei hatte anfangs viel zu wenig Personal im Einsatz, um die Ausschreitungen unterbinden zu können. Rund 50 Beamte wurden zum Teil schwer verletzt. Wochenlang musste sich Albers schwere Vorwürfe gefallen lassen, die Situation verkehrt eingeschätzt zu haben. Auch damals machte Albers in der Krisenkommunikation viele Fehler und insgesamt alles andere als einen souveränen Eindruck. Die Schuld für den misslungenen Einsatz sah er nicht bei sich selbst. Die Rufe nach seinem Rücktritt wurden nun aber immer lauter. Schließlich waren es die Vorfälle in der Silvesternacht und seine mangelnde Informationspolitik, die ihn schließlich das Amt gekostet haben. Er hat viele Skandale überstanden - aber dieser eine war eben einer zu viel.

Wer statt seiner nun in die fünfte Etage des Polizeipräsidiums einziehen wird, ist noch nicht bekannt. Die Leitsätze der Polizei sollte er aber beachten, besonders den einen: "Unangemessenes Auftreten und Verhalten sprechen wir an."

(RP)
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