20-Jährige mit 31 Messerstichen getötet Zeuge nennt den Angeklagten "intelligent, kühl — ohne Empathie"

Im Mordprozess gegen den 21-jährigen Steffen M. zeichnen seine Freunde das Bild eines gefühlskalten Mannes, der sein Umfeld dominierte. Steffen M. soll seine Ex-Freundin aus Rache mit 31 Messerstichen in Köln getötet haben.

 Der Angeklagte Steffen M.

Der Angeklagte Steffen M.

Foto: Claudia Hauser

Jedes einzelne Wort fällt Christian H. (Name geändert) schwer. Der 27-Jährige ist am Freitag als Zeuge im Mordprozess gegen Steffen M. geladen. Die beiden waren befreundet, haben sich in Aachen beim Studium kennengelernt. Steffen M. hatte sich Christian H. anvertraut. Was er ihm gesagt hat, lässt den Freund bis heute nicht los: "Er hat gesagt, dass er Ayla töten will", sagt er leise und stockend. Dann habe der 21-Jährige ihm ein Messer gezeigt. "Es war ein Jagdmesser." Ende Januar dieses Jahres war das. Zwei Tage später setzte Steffen M. seinen Entschluss in die Tat um: Am 29. Januar passte er seine Ex-Freundin Ayla H. (Name geändert) laut Anklage auf dem Weg zu ihren Eltern ab und tötete sie mit 31 Messerstichen.

Christian H. hatte gedacht, es sei eine fixe Idee seines Freundes gewesen. Zumal der ihm einen Tag vor der Tag eine Nachricht geschickt hatte, in der stand: "Ich hab noch mal unnormal lange nachgedacht und ich werde nichts machen. Das macht keinen Sinn." Doch seine Rachegefühle waren wohl stärker. Der Informatikstudent Christian H. muss die Vernehmung in Saal 210 des Kölner Landgerichts dreimal abbrechen.

Er sagt, er hätte nicht ernst genommen, was sein Freund gesagt hat. "Und nach der Nachricht bin ich klar davon ausgegangen, dass er das nicht macht." Ein psychiatrischer Gutachter spricht mit ihm, um seine Vernehmungsfähigkeit einschätzen zu können. "Er zeigt eine akute Belastungsreaktion", sagt der Sachverständige. Der Zeuge sei aufgewühlt und mitgenommen und mache sich massive Vorwürfe, am Tod der 20-Jährigen mit schuld zu sein. Er habe Suizidgedanken, wohne bei Freunden, weil er nicht allein sein könne.

"Keine gleichberechtigte Beziehung"

Steffen M. hatte ihm damals sogar erzählt, wie er Ayla H. töten wolle und dass er sie an der Haltestelle "Autobahn" Köln-Ostheim abpassen wolle. "Er sagte, es sei die einzige Möglichkeit, sich zu rächen", sagt Christian H. "Er meinte, dass er noch nie im Leben verloren habe, aber dass er aus der Beziehung als Verlierer rausgegangen sei — das konnte er nicht akzeptieren." Ayla H., mit der der Angeklagte eine sechsjährige On-off-Beziehung hatte, hatte sich einen Monat vor der Tat von ihm getrennt und war mit einem anderen zusammen.

Dass es keine gesunde Beziehung war, die das junge Paar führte, wird bei der Vernehmung eines weiteren Freundes klar. Thomas S. (Name geändert), ebenfalls Informatikstudent, war seit der Kindheit eng mit dem Angeklagten befreundet. "Ayla hatte eine sehr starke emotionale Bindung zu Steffen", sagt er. "Er war sehr dominant, es war keine gleichberechtigte Beziehung. Es wirkte so, als ob sie alles machen würde, was er wollte." Steffen M. habe den Facebook-Account und das Handy seiner Freundin kontrolliert.

Als Steffen M. 18 war, habe er die Idee gehabt, dass er Ayla mit anderen teilen wolle. "Er hat sie zu anderen Männern geschickt, sie musste alles mit dem Handy-Aufnahmegerät aufnehmen." Das sei ein absolutes Machtspiel gewesen.

Später soll Ayla H. auch Fotos und Filme bei den Treffen mit den anderen Männern gemacht haben. Weil Steffen M. das so wollte. Er soll sie mit den Bildern immer wieder erpresst haben. "Er wollte sie ihren Eltern zeigen", sagt der Zeuge. Als der Vorsitzende Richter ihn bittet, Steffen M. zu charakterisieren, sagt Thomas S.: "Er ist bedacht, intelligent, analytisch, kühl-berechnend, ohne Empathie — psychopathisch." Ihn selbst habe der "gefühllose, kalte Blick" seines Freundes oft so verstört, dass er ihm nicht ins Gesicht schauen konnte. "Wenn es mir schlecht ging und ich vor ihm geweint hab, kam da nie eine Reaktion." Auch ihn habe Steffen M. in der Schulzeit derart dominiert, dass die Mitschüler ihn "Schosshündchen" genannt hätten. "Im Nachhinein muss ich sagen: Das stimmt."

Auch Christian H. steht immer noch deutlich unter dem Eindruck des Geschehens. Als er sagt, dass es ihm sehr schwer gefallen sei, seinen Freund heute wiederzusehen, bricht seine Stimme und er muss sich das Weinen verkneifen. Steffen M. blickt ihn ruhig an. Ohne jede Regung.

Der Prozess wird am Dienstag fortgesetzt.

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