Korschenbroich Auch Napoleon nächtigte in Schlickum

Jüchen · Außen historisch, innen modern - aus dem früheren Ritterlehen von Liedberg ist heute ein repräsentatives Wohnhaus geworden: Haus Schlickum in Schlich. Erbaut hat es 1755 derselbe Architekt, der auch Schloss Wickrath errichtete.

 Haus Schlickum mit Eigentümer Dr. Peter Heider: Das repräsentative Herrenhaus wurde nach den Originalplänen von Matthieu Soiron von 1755 rekonstruiert. Hinter der historischen Fassade befindet sich ein modernes Wohnhaus.

Haus Schlickum mit Eigentümer Dr. Peter Heider: Das repräsentative Herrenhaus wurde nach den Originalplänen von Matthieu Soiron von 1755 rekonstruiert. Hinter der historischen Fassade befindet sich ein modernes Wohnhaus.

Foto: L. Berns

"Wir können nicht mehr genau rekonstruieren, wer hier alles gewohnt hat", sagt der Hausherr von Haus Schlickum in Schlich. Eines aber weiß er vom Hörensagen: Napoleon soll Anfang des 19. Jahrhunderts in Haus Schlickum Station gemacht haben, als er ins Rheinland reiste und den Bau des Nordkanals anordnete.

Ein angenehmer Gast sei er aber nicht gewesen, so der Hausherr weiter. Vielmehr habe Napoleon die Bewohner vorübergehend aus dem Haus geworfen und die Vorräte geplündert. Napoleon hat sich einen geschichtsträchtigen Ort ausgesucht, um zu übernachten: Wo heute Haus Schlickum steht, hatten sich schon die Römer und Merowinger niedergelassen. Davon erzählen die zahlreichen Steine und Scherben, die die Hausherren im Boden gefunden haben.

"Wir haben die Fundstücke vom Rheinischen Amt für Bodendenkmalpflege untersuchen und datieren lassen", so der Hausherr. Die ersten sicheren schriftlichen Quellen stammen aus dem Jahr 1328. Sie nennen einen Gerhard von Schlickum als Lehensinhaber. Damals war Haus Schlickum Rittersitz und Burglehen von Liedberg, und die Bewohner gehörten zur ritterlichen Besatzung der Burg Liedberg. Vermutlich bewohnten sie eine mittelalterliche, von Wassergräben umzogene Hofesfeste, die meistens aus einem größeren Wirtschaftsteil und einem Wohnhaus bestand.

Rund 365 Jahre sollte das Lehen innerhalb der Familie von Schlickum vererbt werden, bis es 1685 durch Heirat an Reinhard Wilhelm von Calckum genannt Lohausen gelangte. Noch heute ziert das Wappen der Familie Calckum-Lohausen das Eingangsportal des Herrenhauses. Die Familie Calckum-Lohausen war mit dem Burgherren von Schloss Wickrath, Wilhelm Otto Friedrich von Quadt, verwandt. Er ließ zwischen 1746 und 1772 Schloss Wickrath neu errichten, nachdem die spätmittelalterliche Wasserburg abgebrannt war. Die verwandtschaftlichen Beziehungen sollten sich als Glücksfall erweisen: Denn als auch die Hofesfeste der Familie Calckum-Lohausen im 18. Jahrhundert abbrannte, sandte Wilhelm von Quadt seinen niederländischen Architekten Matthieu Soiron nach Schlich. Matthieu Soiron errichtete dort 1755 das heutige Herrenhaus mit seinem barockgeschweiften Giebel, dem auffallenden Mittelrisalit sowie den dazugehörigen Wirtschaftsgebäuden. Damit vollzog Soiron den zeitgemäßen Wandel von einer ehemals wehrhaften Anlage hin zu einem repräsentativen Herrenhaus.

Vermutlich gab es zu Beginn des 19. Jahrhunderts noch einen Brand, bei dem nur das Wohnhaus gerettet wurde. Als die heutigen Besitzer Haus Schlickum vor zwölf Jahren erwarben, waren der Barockgiebel und der Mittelrisalit einer Dachsanierung zum Opfer gefallen. Mit viel Liebe zum Detail haben sie Haus Schlickum wieder so rekonstruiert, wie Matthieu Soiron es 1755 erbaut hatte. Nur innen sieht nichts mehr aus wie vor fast 260 Jahren. Die Bauherren haben den Spagat geschafft, hinter einer historischen Fassade ein ganz modernes Haus entstehen zu lassen.

(NGZ)
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