Korschenbroich Ein Bahnhofsgebäude, das viel Neid erzeugte

Korschenbroich · Das gefiel nicht allen: Als die erste Eisenbahn 1853 von Neuss nach Gladbach fuhr, gab es auf der Strecke nur einen Stopp - in Kleinenbroich. Korschenbroicher mussten auf ihren Bahnhof warten.

 Das Bahnhofsgebäude in Kleinenbroich: Heute ist es in städtischer Hand und Domizil mehrerer Vereine, der AWO sowie Nebenstelle des Bürgerbüros.

Das Bahnhofsgebäude in Kleinenbroich: Heute ist es in städtischer Hand und Domizil mehrerer Vereine, der AWO sowie Nebenstelle des Bürgerbüros.

Foto: L. Berns

Während Bahnhofsneubauten von Berlin bis Stuttgart heute von sich reden machen, weil sie nicht fertig und viel zu teuer werden, sah das 1853 in Kleinenbroich ganz anders aus. Offensichtlich war das Bahnhofsgebäude schon längst fertiggestellt, als 1853 der erste Zug in Kleinenbroich einfuhr. Denn ein Balken im Dach des Empfangsgebäudes weist die Jahreszahl 1851 auf.

Möglicherweise ging der Bahnhofneubau deshalb so zügig vonstatten, weil es sich nicht um einen Pracht-, sondern um einen Standardbau gehandelt hat. Denn damals errichtete die Aachen-Düsseldorfer Eisenbahngesellschaft entlang der gesamten Strecke zwischen Aachen und Düsseldorf einen einheitlichen Typus von Empfangsgebäuden: Die waren zweigeschossig mit drei Fensterachsen und hatten eine Fassade, die ganz im klassizistischen Geschmack der damaligen Zeit mit Bänderputz und einem Kranzgesims versehen war.

Auch Herzogenrath, Geilenkirchen und Geilenkirchen-Lindern erhielten in jenen Jahren nahezu zeitgleich ähnliche Bahnhofsgebäude. Aber nur jenes in Kleinenbroich sollte als intakter Bau bis heute erhalten bleiben. In Neuss feuerte man Salut, als dort der erste Zug am 17. Januar 1853 aus Oberkassel kommend eintraf. Sicherlich wurde auch in Kleinenbroich gefeiert: Denn jetzt konnten die Kleinenbroicher nicht nur schnell und bequem nach Neuss, Düsseldorf, Mönchengladbach und Aachen fahren, sondern umsteigen und bis Rheydt, Krefeld oder Duisburg weiterreisen. Sechs Mal fuhr der Zug täglich zwischen Düsseldorf und Gladbach hin und her.

Auch die Wirtschaft profitierte: Für den Güterverkehr erschlossen sich durch den Bahnhof neue Absatzmärkte, denn Kleinenbroich war nun an die große weite Welt angebunden. Sehr zum Ärger der Korschenbroicher, die drei Viertel des Post- und Güterverkehrs stellten. Aber die Größe der Gemeinde hatte keine Rolle gespielt, als sich die Eisenbahndirektion für Kleinenbroich als Haltestelle entschieden hatte. Vielmehr ging es um einen geografischen Aspekt, der für Kleinenbroich als Bahnhof sprach: Der Ort liegt genau in der Mitte zwischen Neuss und Gladbach.

Erst 1870, nach mehreren Anträgen an die Bahnverwaltung und nachdem auch Büttgen einen Bahnhof erhalten hatte, bekam Korschenbroich eine Haltestelle für den Personenverkehr. Der Güterverkehr wurde bis 1893 nach wie vor über Kleinenbroich abgewickelt. So lange musste der Korschenbroicher Postbote die Post sowie Böttcherwaren, Holzschuhe, Seide und Samt mit der Schubkarre zum Bahnhof im Nachbarort befördern.

Heute gehören der Bahnhofsvorsteher, der Fahrkartenverkäufer und der Schrankenwärter ebenso der Vergangenheit an wie die Gaststätte neben der Schalterhalle. Als der Bahnhofsbetrieb Mitte der 1980er Jahre eingestellt und Kleinenbroich zur S-Bahn-Station wurde, hatte das Gebäude zunächst ausgedient. Aktuell beherbergt es mehrere ortsansässige Vereine, darunter den Heimatverein Kleinenbroich und den Männergesangverein.

(NGZ)
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