Korschenbroich Männerriege macht Politik an Altweiber

Korschenbroich · Eine Runde inkognito: Während vielerorts Möhnen die Rathäuser stürmten, trafen sich gestern in der Verwaltung in Korschenbroich einige Anzugträger. Von dem Treffen dringt kaum etwas nach außen. Nur so viel: Es geht auch um Politik.

 Gedankenaustausch an Altweiber: Statt Rathaussturm steht das Oktavian-Treffen der Bruderschaftler im Korschenbroicher Verwaltungsgebäude auf dem Programm. Für die Organisation ist Hochmeister Hans-Willi Türks (l.) verantwortlich.

Gedankenaustausch an Altweiber: Statt Rathaussturm steht das Oktavian-Treffen der Bruderschaftler im Korschenbroicher Verwaltungsgebäude auf dem Programm. Für die Organisation ist Hochmeister Hans-Willi Türks (l.) verantwortlich.

Foto: Ilg

Während gestern im Rheinland die närrischen Weiber vielerorts den Ton angaben und vor kaum einem Rathaussturm zurückschreckten, blieb es in Korschenbroich ruhig. Wer auf Möhnen am Verwaltungsgebäude wartete und gar einen für die tollen Tage entmachteten Bürgermeister sehen wollte, wurde enttäuscht. Stattdessen stolzierten am frühen Vormittag mehr als 20 staatstragende Herren in Anzug und Krawatte gehüllt ins Rathaus. Eine reine Männerrunde, mehr oder weniger inkognito.

Hausherr Marc Venten und Hochmeister Hans-Willi Türks standen der munteren Runde vor. Seit 1974 kommt diese Männergesellschaft im Rathaus zusammen - immer an Altweiber, in unterschiedlicher Besetzung, versteht sich. In geheimer Mission, wie viele hinter vorgehaltener Hand vermuten. Andere wollen wissen, dass dieser Traditionstermin vor mehr als 40 Jahren bewusst so gewählt worden war, um den Rathaussturm herrschsüchtiger Möhnen rigoros auszuschließen. Bestätigen wollte Hochmeister Hans-Willi Türks gestern aber weder das eine noch das andere.

"Wir gehören alle der Bruderschaft zum Heiligen Oktavian an", erklärte Hans-Willi Türks hingegen im Gespräch mit unserer Redaktion. Wenn es sich bei der reinen Männerrunde auch um keinen eingetragenen Verein handelt, so werden doch Jahresbeiträge eingestrichen und Spenden für wechselnde soziale Zwecke eingefordert. Mitglied zu werden ist aber nicht so einfach: Bewerben kann sich kein Interessent - die einen werden aufgrund ihres Amtes berufen, andere werden von Mitgliedern zu einem der Jahrestreffen eingeladen. Wer später als Mitglied den überschaubaren Kreis ergänzen darf, wird immer an Altweiber im Rathaus entschieden. Auch gestern war sich die Runde einig: Das Bruderschafts-Treffen am 24. März findet erstmals in der Bolten-Brauerei in Neersbroich statt. Was liegt da näher, als auch Brauerei-Chef Michael Hollmann dazu zu bitten.

Die Idee der Männer-Riege wurde 1974 im Pescher Gasthof Deuss geboren. Federführend war seinerzeit der spätere Stadtdirektor Willi Esser. Ihm war es wichtig, sich auf Amtsebene nach der kommunalen Neugliederung nicht aus den Augen zu verlieren. "Damit war der Grundstein für Oktavian gelegt", sagt Türks. Die damaligen Bürgermeister der Landgemeinden Matthias Hoeren (Korschenbroich), Günter Wappenschmidt (Glehn), Graf Spee (Liedberg), Heinrich Mühlen (Pesch) und Herbert Köhnen (Kleinenbroich) bezeichnet Türks als "Männer der ersten Stunde". Komplettiert wurde die Runde durch die damaligen Hauptverwaltungsbeamten Willi Esser, Hans Herzig, Ludwig Bovelet und den früheren Sparkassenchef Josef Justenhoven. "Das erste offizielle Treffen wurde für den 24. März 1974 vereinbart", erzählt Türks. Da es bislang für die Riege noch keinen Namen gab, half ein Blick in den Kalender: Damit wurde der Heilige Oktavian zum Namensgeber der späteren Bruderschaft.

"Bis heute haben die damals vereinbarten Rituale Bestand", sagt Türks, der seit 1999 dazugehört und direkt mit der Organisation betraut wurde. Zum Fest des Heiligen Oktavian kommen alle noch lebenden Gründer und alle Mitglieder zusammen. Das Besondere: Jeder darf zum traditionellen Spanferkelessen einen Gast mitbringen. So wurde die Männerriege im Laufe der Jahre um engagierte Persönlichkeiten wie Präsidenten, Vereinsvorsitzende und Unternehmer erweitert. Und so komplettieren Landrat Hans-Jürgen Petrauschke, Sparkassen-Vorstand Dietmar Mittelstädt, Bundestagsabgeordneter Ansgar Heveling, Bürgerpreis-Träger Heinz Schriedels und Edeka-Chef Gerhard Handick - um nur einige zu nennen - den erlauchten Kreis.

"Natürlich wird auch über Politik geredet", erklärt hans-Willi Türks auf mehrfaches Nachfragen. Doch mehr war ihm auch gestern nicht zu den Gesprächsinhalten zu entlocken. Ob im Bürgermeister-Hinterzimmer nun Stadtpolitik gemacht wird oder ob das Korschenbroicher Rathaus an Altweiber den Herren lediglich als Rückzugsort vor besitzergreifenden Möhnen dient, bleibt weiterhin der Fantasie eines jeden überlassen.

(NGZ)
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