Korschenbroich Wie Flüchtlinge Weihnachten erleben

Korschenbroich · Familie Kallen aus Glehn bietet 14 Flüchtlingen eine Unterkunft. Auf ihrem Obsthof sind sie gut versorgt, doch es fehlen soziale Kontakte. Bei einer kleinen Adventsfeier erzählen Flüchtlinge den freiwilligen Helfern von ihren Schicksalen.

 Viele der Asylbewerber, die auf dem Hof leben, sind als Muslime mit dem Advent und mit Weihnachten nicht vertraut. Flüchtlinge, Familie Kallen und Erntehelfer feierten jetzt gemeinsam in kleinem Rahmen.

Viele der Asylbewerber, die auf dem Hof leben, sind als Muslime mit dem Advent und mit Weihnachten nicht vertraut. Flüchtlinge, Familie Kallen und Erntehelfer feierten jetzt gemeinsam in kleinem Rahmen.

Foto: l. Berns

Immer wieder schaut Ossama Jamal ungeduldig auf sein Smartphone, ob er eine neue Nachricht von seiner Frau und seinen Kindern erhalten hat. Dann zeigt der 44 Jahre alte Familienvater mit traurigen Augen Bilder von einem verwüsteten Straßenzug in der umkämpften nordsyrischen Metropole Aleppo, seiner Heimatstadt. Bilder, die auch die kümmerlichen Überreste seines Wohnhauses zeigen, das im Bombenhagel völlig zerstört wurde. Bei einem Angriff, der auch das Leben eines seiner vier Kinder forderte.

Das Schicksal von Ossama Jamal ist kein Einzelfall. Die Erfahrung macht auch Landwirt Bruno Kallen (53) aus Glehn. Fast alle der insgesamt 14 asylsuchenden Ausländer, die auf seinem Obsthof seit Oktober untergekommen sind, haben Ähnliches erlebt und hoffen auf ein besseres Leben in Deutschland.

"Die meisten kennen das, was in Krisenregionen wie Syrien geschieht, nur aus den Nachrichten. Ich bekomme durch die Flüchtlinge einen ganz anderen Bezug dazu. Für mich zählt der menschliche Aspekt", erzählt Kallen, der für Gegenwind aus deutschen Städten wie zum Beispiel Dresden kein Verständnis aufbringen kann. Sieben Wohncontainer, in denen in der Saison polnische Erntehelfer untergebracht sind, hat er zur Flüchtlingsunterkunft umfunktioniert.

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Foto: dpa, rwe lof

Damit kommt Bruno Kallen der Stadt Korschenbroich, die aktuell neue Unterkünfte einrichtet, stark entgegen. Unterstützung erhält seine Familie von freiwilligen Helfern wie Paul Pommerening aus Kleinenbroich oder Jörg Utecht aus Liedberg, die mit der Organisation grundlegender Dinge wie der Einrichtung eines Bankkontos oder der Vermittlung der deutschen Sprache ein klares Zeichen setzen und "nachbarschaftlich Hilfe leisten" wollen.

Um den Austausch zwischen Flüchtlingen und Helfern zu stärken, initiierten sie jetzt eine kleine Adventsfeier, in der in gemütlicher Runde auf dem Hof Kallen gemeinsam musiziert und erzählt wurde. "Materiell sind die Flüchtlinge gut versorgt. Es fehlt aber an sozialen Kontakten. Viele haben Traumatisches erlebt und keinen Ansprechpartner", berichtet Jörg Utecht (42).

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Foto: dpa, jst fdt

Auch Ossama Jamal, der seit fünf Wochen auf dem Obsthof lebt, erzählte bei der kleinen Feier seine bewegende Geschichte. Von der Flucht aus seiner Heimat, die seit Monaten Schauplatz blutiger Auseinandersetzungen zwischen Regierungs- und Oppositionsgruppen ist. Auch die Terrormiliz "Islamischer Staat" umkämpft die strategisch wichtige Stadt Aleppo, schockt die Welt mit brutalen Hinrichtungen.

"Im demokratischen Deutschland respektieren die Menschen sich", sagt Jamal, der eine schlimme Tortur hinter sich hat: Gemeinsam mit seinem Cousin flüchtete er über die Türkei mit 43 weiteren Menschen in einem schmalen Schlauchboot nach Griechenland und kam von dort aus teilweise zu Fuß über Bulgarien, Serbien, Ungarn und Österreich nach Deutschland. "Meiner Familie", sagt Jamal, "möchte ich, so schnell es geht, ebenfalls die Flucht ermöglichen und sie hier in Sicherheit bringen."

(NGZ)
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