Korschenbroich Zeitzeuge erzählt vom Nazi-Gold

Korschenbroich · Im März 1945 versteckten die Nazis Gold und Kunstwerke in einem Kalischacht in Thüringen. Der Korschenbroicher Egon Rive hat als Kind miterlebt, dass die Amerikaner den Schatz hoben. Jetzt besuchte er den Ort seiner Kindheit.

 Er erlebte als Achtjähriger, wie die Amerikaner den Nazi-Goldschatz aus einem Kalischacht in Thüringen hoben: Egon Rive. Jetzt - 70 Jahre danach - reiste der Korschenbroicher mit seiner Frau Sylvia in die Vergangenheit.

Er erlebte als Achtjähriger, wie die Amerikaner den Nazi-Goldschatz aus einem Kalischacht in Thüringen hoben: Egon Rive. Jetzt - 70 Jahre danach - reiste der Korschenbroicher mit seiner Frau Sylvia in die Vergangenheit.

Foto: Lothar Berns

Es geht um einen Schatz, wie er kostbarer kaum sein könnte: Die Nofretete gehörte dazu, Gemälde, Goldbarren und Koffer voller Banknoten. Mythen ranken sich um ihn, und George Clooney inspirierte er zu seinem Film "The Monuments Men". Dass dieser Schatz gehoben wurde, hat Egon Rive (79) miterlebt: Als achtjähriger Junge, eingepfercht in einem Zimmer mit zehn weiteren Personen.

Nachdem die Alliierten ihre Luftangriffe auf Berlin im Februar 1945 verstärkt hatten, brachten die Nazis Goldreserven und Kunstschätze in Sicherheit. Den wohl größten Teil schafften sie nach Merkers in Thüringen und versteckten ihn rund 420 Meter unter der Erde in einem Kalischacht. Damals lebte Egon Rive schon seit vier Jahren in Merkers. Zusammen mit seiner Mutter und seinem jüngeren Bruder war er 1941 aus Düsseldorf dorthin gezogen. "Wir haben dort vom Krieg nicht viel gespürt", sagt Egon Rive. "Abgesehen von den Stockschlägen, die ich in der Schule kassierte, wenn ich den Hitlergruß verweigerte."

Kaum trafen die Amerikaner im April 1945 in Merkers ein, bekamen sie auch schon Wind von dem Schatz. Selbst General Dwight D. Eisenhower, Oberbefehlshaber der alliierten Streitkräfte und späterer US-Präsident, reiste an und begutachtete den Fund. Um ihn zu heben, verhängten die Amerikaner eine Ausgangssperre. "Sie schlossen uns und andere Dorfbewohnern zehn Tage lang in einer Villa ein. Sie haben uns zwar mit Essen versorgt, aber das Haus verlassen durften wir nicht", berichtet Egon Rive.

Erst viel später wurde ihm bewusst, warum währenddessen unaufhörlich Laster durch den Ort rollten: Sie hatten den Nazi-Goldschatz abtransportiert. Als sich die Russen wenige Wochen später dem Ort näherten, floh die Familie nach Düsseldorf. Zuvor schon war der Vater vom Rhein nach Thüringen geradelt, um seine Familie zurück zu holen. Zwei Wochen waren sie unterwegs, überwiegend zu Fuß mit einem Leiterwagen und streckenweise in einer Kutsche. In Düsseldorf spürte Egon Rive dann deutlich die Auswirkungen des Krieges: Das Wohnhaus und das Firmengebäude, in dem der Vater einen Textilgroßhandel betrieben hatte, waren zerbombt. Die Familie zog trotzdem in das Firmengebäude ein, dessen Dach der Vater notdürftig mit Bootsplanken deckte, die er aus zerstörten Rhein-Schiffen barg. Später studierte Rive Jura, kaufte eine Textilfabrik in Mönchengladbach und expandierte damit nach Korschenbroich. "Meine Familie und ich haben immer großes Glück gehabt", sagt er rückblickend.

Die Kindheit in Merkers beschäftigt ihn noch heute. 70 Jahre nach seiner Flucht zog es ihn in diesem Sommer noch einmal dorthin zurück. Direkt nach der Wende war er mit seiner Frau Sylvia Schüssler-Rive schon einmal nach Merkers gereist. Wie schön Thüringen sei, habe er aber erst jetzt wahrgenommen: "Hier werden wir jetzt öfter Urlaub machen."

(NGZ)
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