Krefeld 10 Thesen nach der Kommunalwahl

Krefeld · Klarer Sieger: Die Bäume. Klarer Verlierer: Der Nothaushalt. Thesenhaft untersuchen wir die Ergebnisse der Kommunalwahl - warum der Druck auf die SPD wächst und die Wahlschlappe der CDU nicht nur Sorge bereitet.

 Der Stadtchef und sein Finanzminister: Gregor Kathstede (l.) und Kämmerer Ulrich Cyprian (r.) am Wahlabend auf dem Weg von der CDU-Zentrale zum Rathaus. Für den Nothaushalt ist das Wahlergebnis kein gutes Vorzeichen.

Der Stadtchef und sein Finanzminister: Gregor Kathstede (l.) und Kämmerer Ulrich Cyprian (r.) am Wahlabend auf dem Weg von der CDU-Zentrale zum Rathaus. Für den Nothaushalt ist das Wahlergebnis kein gutes Vorzeichen.

Foto: Thomas Lammertz

1. These: Die SPD wird nicht in die Große Koalition gehen - zu verlockend ist die Chance, vor der OB-Wahl den CDU-Verwaltungschef Kathstede vor sich her zu treiben.

Schon gestern Morgen saßen die Spitzen der SPD im Parteibüro am Südwall zusammen, um über Bündnisse zu reden. Als wahrscheinlich gilt: Die Große Koalition mit der CDU wird für die Sozialdemokraten nicht erste Option sein. Aus einem einfachen Grund: 2015 wird in Krefeld der Oberbürgermeister neu gewählt, SPD-Herausforderer Frank Meyer tritt gegen Amtsinhaber Gregor Kathstede (CDU) an - eine zu große Nähe zur CDU wird sich die SPD deshalb im Vorfeld nicht erlauben wollen. Zu verlockend ist die Option, eine Politik mit sozialem Anstrich machen zu können. Für die SPD ist dies aber eine schwere Bürde: Wenn Frank Meyer 2015 Verwaltungschef werden will, muss seine Fraktion in Zeiten des Nothaushalts Verantwortung übernehmen.

2. These: Ein Linksruck hat die Stadt erfasst - die SPD wird ein reines "Sozialbündnis" mit Grünen, Linken und Piraten aber verhindern wollen.

Mitten in Zeiten des Nothaushalts wählt eine Mehrheit der Krefelder Bürger einen Rat mit linker Note. Die SPD hätte mit Grünen, Linke und Piraten oder Partei politische Gestaltungshoheit. Daneben gibt es auch den verkappten Linksruck - in der neuen Ratsmannschaft der Grünen scheiden die Realos Stefani Mälzer und Rolf Rundmund aus. Die SPD wird dennoch nicht allein auf linke Karte setzen. Sie hat in den vergangenen Jahren bewiesen, dass sie bei großen Themen durchaus Verantwortung zu übernehmen bereit ist. Sie wird also nach dieser Wahl auf ein konkretes Listenbündnis verzichten, stattdessen auf wechselnde Mehrheiten hoffen.

3. These: Das Wahlergebnis lähmt den Rat über Monate. Die CDU wird Steuererhöhungen nicht mittragen wollen. Eine vernünftige Sparpolitik ist nicht in Sicht.

In einem Punkt kann die CDU froh über den Ausgang dieser Wahl sein. Sie muss den Steuererhöhungen, die sie vor der Wahl noch als "Ultima Ratio" bezeichnete, nicht zwingend zustimmen. Stattdessen könnte sie die SPD in die Pflicht nehmen, den Haushalt zu sanieren. "Sollen die es doch machen", war am Wahlabend in der CDU-Zentrale an der Carl-Wilhelm-Straße ein oft gehörter Satz. Die CDU ist still und heimlich auch froh, die Verantwortung für die Stadt-Finanzen nun in der Hand jener Kritiker zu sehen, die das Spardiktat monatelang benörgelt haben.

4. These: Die Ratswahl ist ein deutliches Signal für die OB-Wahl 2015 - Meyer kann punkten.

Der Wahlkampf der SPD war geschickt - sie hat die Bürger schon jetzt mit dem Gesicht ihres OB-Kandidaten Frank Meyer vertraut gemacht. Sie hat mit dem prägnanten Slogan "20 Jahre CDU, Kahlschlag, Nothaushalt" die Stadt vollplakatiert und eine Wechselstimmung heraufbeschworen. Dieses Wahlergebnis ist deshalb auch ein Denkzettel für Oberbürgermeister Kathstede. Der Verwaltungschef muss jetzt die Flucht nach vorne ergreifen, Bündnisse im Rat schmieden, ein politischer Oberbürgermeister werden. Nur mit dem Rückenwind einer wiedererstarkten City und einem erfolgreichen Kampf gegen den Nothaushalt wird es ihm gelingen, die Wahl 2015 für sich zu entscheiden.

5. These: Die CDU wird zwar abgewatscht. Die Stimmenverluste halten sich - bei realistischer Betrachtung - aber in Grenzen.

Die Stadt befindet sich in einer dramatischen Finanzlage, die CDU hat ihr Personaltableau komplett erneuert, einige CDU-Ratskandidaten beobachteten an den Wahlständen eine "Anti-Kathstede-Stimmung" - angesichts dessen ist es kaum verwunderlich, dass Stimmenverluste eingefahren wurden. Der Verlust von 1,9 Prozent der Stimmen ist vor diesem Hintergrund sogar noch verkraftbar; obwohl zu berücksichtigen ist, dass schon 2009 für die CDU ein desaströses Ergebnis war.

6. These: Der Wähler will am Ende doch lieber vertraute Köpfe als frischen Wind. Der Jugendkurs der CDU kam deshalb deutlich zu spät.

Der Jugendkurs der CDU ist nicht honoriert worden. Und das hat Gründe. Die CDU-Stammwähler haben jahrelang die vertrauten Köpfe - Schittges, Fabel, Ruhland - gewählt. Nach der Schlappe von 2009 hätte die CDU ihr Personal entweder schnell austauschen, oder aber auf einen sanften Wandel setzen müssen. Die CDU hat sich für beides entschieden. In einem Rundumschlag sind nach der Wahl 2009 erst alle alten Kandidaten öffentlich angezählt worden. Das gleiche Personal hat dann aber noch jahrelang weiter Politik gemacht. Jetzt zeigt sich: eine ungute Lösung. Für einen Stimmungswandel schon bei dieser Wahl hätte die CDU den Wandel insbesondere an der Fraktionsspitze schneller herbeiführen müssen.

7. These: Obwohl die CDU Verlierer ist - Parteichef Marc Blondin geht gestärkt aus dieser Wahl.

Marc Blondin ist der Initiator des Wandels bei den Christdemokraten - diese Veränderung hat noch keine Ergebnisse gebracht. Und doch: Blondin selbst hat gezeigt, wie man gute Wahlergebnisse einfährt. In seinem Heimatwahlkreis Traar/Verberg erreichte die CDU mit 50,82 Prozent die absolute Mehrheit. Das gibt Rückenwind.

8. These: Die AfD ist Wahlsieger mit einem "Best-Of"-Programm von FDP, Grünen und UWG - und steht dennoch für alles und gar nichts. Die FDP bleibt deshalb in Krefeld wichtige politische Größe.

Der große Wahlsieger unter den Kleinen ist die Alternative für Deutschland. Das erstaunt: Im Kommunalwahlkampf war die AfD faktisch nicht präsent. Wer das Krefelder Wahlprogramm liest, der entdeckt zwar keine Nähe zur NPD, wie behauptet, aber eben auch nichts sonderlich Originelles. Alles schon mal anderswo gehört, alles Rosinen aus anderen Wahlprogrammen. Selbst die Kandidaten der AfD-Liste sind untereinander zerstritten. FDP-Parteichef Joachim C. Heitmann wird sich besonders um die AfD-Wählerklientel kümmern müssen - sie zurückzuholen, ist kein Ding der Unmöglichkeit. Zumal mit Florian Philipp Ott ein junges FDP-Talent in den Rat einzieht.

9. These: Die Piratenpartei wird ein One-Hit-Wonder: Auch Die Partei wird schnell merken: Lustig geht es im Rat auch ohne Spaßparteien zu.

Die Ein-Mann-Parteien im Rat wie Piraten und Die Partei sind für den Rat keine Bereicherung, weil: Sie stehen für nichts. Was hat eine Partei, deren Alleinstellungsmerkmal das Thema Internet ist, in einem Kommunalparlament zu suchen? Was hat eine Satirepartei wie Die Partei im Rat zu suchen? Deren vermeintliches Alleinstellungsmerkmal - den Humor - findet man im Krefelder Rat übrigens öfter als man denkt. Realsatire ist doch viel komischer als organisierte Satire.

10. These: Wahlsieger sind die Bäume, Wahlverlierer der Nothaushalt.

Sparen wird im neuen Rat schwer - der Nothaushalt ist deshalb der klare Verlierer. Freuen dürfen sich aber die Bäume. Durchweg haben die Parteien bekannt, mehr Grün pflanzen zu wollen.

Krefeld - da wächst was zusammen.

(RP)
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