Krefeld 1946 - der erste "Bittgang" in Krefeld

Krefeld · Am 11. Dezember vor 70 Jahren riefen die Krefelder Kirchen zum ersten Ökumenischen Bittgang auf. Der Initiative folgte ein Jahr später die Idee eines Friedenskreuzes. Es wurde in Krefeld entworfen; die Tradition wirkt bis heute.

 Am Karfreitag 1947 trat das Friedenskreuz nach einer feierlichen Messe in der Dionysiuskirche seinen ersten Weg durch Krefeld an.

Am Karfreitag 1947 trat das Friedenskreuz nach einer feierlichen Messe in der Dionysiuskirche seinen ersten Weg durch Krefeld an.

Foto: einhard Verlag/repro: lammertz

Weltkriegsniederlage, umfassende Zerstörung, Hunger und mit dem Holocaust ein Fall in die Barbarei, der seinesgleichen suchte: Als sich 1946 die Konfessionen in Krefeld zur "Christlichen Arbeitsgemeinschaft" verbanden, war das wohl auch der Versuch einer grundlegenden Neuorientierung oder eben Rückbesinnung auf Werte, die für einen zivilisatorischen Neuanfang stehen konnten. Diese Arbeitsgemeinschaft rief vor 70 Jahren für den 11. Dezember 1946 zum ersten Ökumenischen Bittgang auf. Es war die erste ökumenische Veranstaltung nach Ende des Zweiten Weltkrieges in ganz Deutschland.

 Aloys Hoersch (links) und Paul Keller erinnern an den Bittgang.

Aloys Hoersch (links) und Paul Keller erinnern an den Bittgang.

Foto: T.L.

Am morgigen Sonntag, 11. Dezember, lädt die Pax Christi Gruppe ab 15 Uhr zu einer Gedenkstunde an die "Geburtsstunde neuer Ökumene in Krefeld" ein. Im Frühjahr 2017 dann möchte die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) an diese Ereignisse erinnern. Derzeit finden Überlegungen statt, in welcher Form dies möglich sein kann.

Paul Keller, Vorsitzender der ACK, sagt: "Es soll eine moderne Veranstaltung sein, die alle Religionen miteinbezieht. Jeder soll sich angesprochen fühlen und kann dabei mitwirken."

Initiiert wird das Gedenken einmal mehr von Aloys Hoersch, Zeitzeuge des Neuanfangs 1946 und Initiator des Erinnerungs-Bittgangs von 1996. Hoersch möchte das Jubiläum zum 70-Jährigen als "christliches Bekenntnis" verstanden wissen, "unaufdringlich, aber unübersehbar". Er fände es schön, wenn wie 1996 auch eigene Texte in der Feierstunde vorgetragen würden, auch um der Menschen zu gedenken, die heute am Rande der Gesellschaft leben. "Schließlich ist Christus auch zu allen gegangen", so sein Ansatz.

Der Bittgang 1946 thematisierte vor allem die aktuelle Not in der Stadt, die Sehnsucht nach Frieden und weniger die Verbrechen von Nazi-Deutschland, insbesondere den Holocaust. Die Resonanz war überwältigend: Rund 10.000 Menschen folgten dem Aufruf. Der Weg führte über Lohstraße, Rheinstraße und Ostwall zum Nordwall, endete dort an einem Hügel aus Schutt. In den Erklärungen und Bittgebeten ging es allgemein um Vergebung der Schuld, um Hilfe gegen Hunger und Not, Vertriebene und Flüchtlinge und Heimkehr für die deutschen Kriegsgefangenen. "Herr, schenke diesem geschlagenen Volke Frieden! Gib seinen Frauen die Männer, seinen Vätern und Müttern die Söhne wieder, schenke den Familien die Kriegsgefangenen zurück!", heißt es in einem "Appell an die Christen aller Bekenntnisse der ganzen Welt" anlässlich des Bittgangs.

Die Initiative inspirierte eine zweite: Im Kreis von heimgekehrten Soldaten, Priestern und christlichen Laien aus Krefeld wurde der Plan gefasst, ein Friedenskreuz für Pilgerfahrten durch das Bistum zu stiften. Das Kreuz wurde in Krefeld vom Schreinermeister Franz Eiker erstellt und war 3,50 Meter hoch und 2,25 Meter breit. Im Zentrum des Eichenkreuzes, das drei Zentner wog, wurde ein Holzbrett mit dem geschnitzten Antlitz des Gekreuzigten angebracht - das Bildnis stammt vom Aachener Künstler Prof. Anton Wendling. Finanziert wurde das Kreuz durch Spenden der Katholischen Männerbewegung, die 1946 als einzige Männerbewegung im Bistum Aachen gegründet worden war.

Am Karfreitag 1947 trat das Friedenskreuz nach einer feierlichen Messe in der Dionysiuskirche seinen ersten Weg durch Krefeld an. Rund 1000 Männer folgten dem Kreuz, das von insgesamt sechs Männern getragen wurde. Die Aussendung des Friedenskreuzes fand international Beachtung.

Auch in den Erklärungen von 1947 spielte der Holocaust und Fragen nach Schuld und Vergebung im Zusammenhang mit den Verbrechen der Nazis keine Rolle. Es ging wiederum um die Not vor Augen: das tägliche Brot, den Wiederaufbau zerstörter Häuser und Wohnungen, um Hilfe für Flüchtlinge und allgemein "unsere Not".

Seitdem, so heißt es in dem 1992 erschienen Buch "Im Kreuz ist Heil. Geschichte des Aachener Friedenskreuzes" von August Brecher hat das Kreuz den Weg durch 39 Dekanate und 120 Pfarreien gefunden, getragen von rund 200.000 Männern. Das Kreuz dient bis heute Friedenswallfahrten durch das Bistum; und wenn es einmal nicht unterwegs ist, wird es im Aachener Dom untergebracht.

(RP)
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