Krefeld Abrechnung mit "Geplärre"

Krefeld · Eher piano, keine Schenkelklopfer, kaum Attacken auf den politischen Gegner: Die Christdemokraten zelebrierten ihren Politischen Aschermittwoch im Verberger Haus Kleinlosen eher als feinhumorige, ironisch bis heiter gestimmte Abendgesellschaft denn als Haudrauf-Ritual. Mit einem klaren Bekenntnis zur Bildung einer Großen Koalition (Groko) eröffnete Parteichef Marc Blondin den Abend. Er empfahl die Lektüre des 177 Seiten starken Koalitionsvertrages: "Da stehen gute Sachen drin." Blondin forderte eine auf Fakten basierende Auseinandersetzung und wandte sich gegen "substanzloses Geplärre", das er bei der SPD, "aber leider auch in den eigenen Reihen" ausmachte. Die CDU setzte diesmal nicht auf Polit-Prominenz, sondern auf Krefelds Mr. Kabarett Jochen Butz. Er begann seinen Vortrag - Titel: "Über Gute, Böse und Tol(l)erante" - mit einer sehr ernsten Überlegung: Das, was heute als christliche Werte bezeichnet werde - vor allem Nächstenliebe über Glaubensgrenzen hinweg und Toleranz - beruhe weniger auf der Bibel als auf der Aufklärung. Über den Toleranz-Begriff leitete Butz dann auf das Feld über, auf dem er in Krefeld brilliert: das Menschlich-Allzumenschliche.

 CDU-Parteichef Marc Blondin (r) mit Britta Oellers, die wie Blondin im Landtag sitzt, und Krefelds Mr. Kabarett Jochen Butz beim Politischen Aschermittwoch der CDU.

CDU-Parteichef Marc Blondin (r) mit Britta Oellers, die wie Blondin im Landtag sitzt, und Krefelds Mr. Kabarett Jochen Butz beim Politischen Aschermittwoch der CDU.

Foto: Lammertz

Toleranz, definierte Butz, sei die "Leidensfähigkeit, die eigenen Schwächen auch bei anderen zu akzeptieren". Toleranz, sagte er, darin Margaret Thatcher zitierend, "kann man am besten in der Ehe lernen. Politiker, die unverheiratet sind, haben von Toleranz keine Ahnung."

Auf dieser Basis musterte Butz dann Dinge, die ihm Toleranz abverlangen: Der Niederrhein etwa mit (wörtlich verstanden) sinnfreien Redensarten wie "Hals über Kopf" ("versuchen Sie das zu Hause mal mit einem scharfen Messer und setzen den Hals über den Kopf") oder dem unmotivierten Ausruf "so!"- dem nichts folgt. Butz nannte Bonbonbeißer, die einen Bonbon so zerkauen, "dass es mir an den Zähnen wehtut", oder Knorpelzerbeißer - und nach jeder Offenbarung über das eigentlich Unterträgliche an Marotten folgte Butz' leise Selbstermahnung: "Toleranz!"

Auch Krefeld erklärte er den versammelten Krefeldern: "Wenn der Krefelder 'lieb' sagt, meinte er eigentlich lieb und ein bisschen doof", erläuterte Butz unter Gelächter und nahm die Krefelder Mikrokosmen aufs Korn: "Wenn du einem Hülser sagst, dass er aus Krefeld kommt, dann ist das fast eine Beleidigung." Butz verschränkte, aufs Ganze gesehen, Großes und Kleines. Toleranz fängt für ihn beim Bonbonbeißer an - und endet bei Flüchtlingen, die hier Schutz suchen.

(RP)
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