Krefeld Achim Reichel im Seidenweberhaus

Krefeld · Er tourte mit den Rolling Stones und den Beatles - nun begeisterte Achim Reichel die Zuschauer im Seidenweberhaus. Nicht nur mit seiner Musik, sondern auch mit seinen Geschichten.

Ganz gemächlich schlendert er auf die Bühne, ohne Intro und ohne spektakuläre Licht- und Effektshow. Er genießt den Applaus, greift zu seiner Gitarre und gibt seiner Band ein Zeichen. Sie verstehen sich gut, sind ein eingespieltes Team - die vier Musiker um den Star des Abends: Achim Reichel.

Der Hamburger kann auf eine lange Karriere zurückblicken, hat in Bands gespielt und Bands produziert. Ans Aufhören, so sagt er selbst, denkt der 71-Jährige zwar ab und zu mal. Aber das sind keine schönen Gedanken. "Ohne die Musik geht es einfach nicht", sagt er den Krefeldern, die auf den Sänger ein klein wenig mit Distanz reagieren. Interaktion zwischen Publikum und Bühne gibt es erstmal nicht.

Aber das bringt den Mann mit der Gitarre, der viel jünger aussieht als 71, erstmal nicht aus der Ruhe. Die Panne, die gleich zu Anfang des Konzertes passiert, auch nicht. Die erste Strophe des Liedes hat noch nicht einmal angefangen, da reißt schon seine Saite auf der Gitarre. "Jungs, noch eine Runde", ruft er seiner Band zu, die so lange das Intro des ersten Liedes wiederholt, bis Reichel endlich eine funktionierende Gitarre in den Händen hält.

Achim Reichel ist ein Geschichtenerzähler, nicht nur zwischen den Songs zieht er die Zuhörer mit den lebendigen Handlungen in seinen Bann. Die Zuschauer machen Bekanntschaft mit einem Mann, der mitten in der Nacht mitten im Nirgendwo bei Rot über eine Ampel fährt und schließlich vor Gericht landet. Und mit dem Spieler, der alles auf die 17 setzt. Sie treffen Ann-Kathrin, die nach Rio fuhr und nie wieder zurückkehrte und auf Menschen, die ganz unterschiedlich mit ihrem Trennungsschmerz umgehen. All die Geschichten verpackt Achim Reichel musikalisch vielfältig. Irische Folkmusik, Blues, Country, Pop und Rock, um nur einige Genres zu nennen, sind im Seidenweberhaus zu hören.

Aber auch Literaturklassiker wie Fontanes "Herr von Ribbeck zu Ribbeck im Havelland" hat Reichel vertont. Und zu jedem Song erzählt er eine Anekdote. Wie von dem kleinen Jungen, der das Gedicht in der Schule auswendig lernen sollte, es aber schon längst kannte - zwar in einem komischen Rhythmus, aber alle vier Strophen. Er hatte mit seinem Vater und seiner Mutter immer eine alte Schallplatte von Achim Reichel gehört.

Raureif, das aktuelle Album von Achim Reichel, ist die erste Aufnahme seit 16 Jahren. Die Songs haben, wie alle Stücke, viel Herzblut. Dennoch jubeln die Zuschauer bei den großen Hits, wie "Kuddel Daddel Du" und "Fliegende Pferde" am Meisten. Und bei "Aloha Heja He" singen sie sogar endlich mal ein klein wenig mit.

(RP)
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