Krefeld Anrührend - nicht rührselig: Vorweihnachtliches in der Synagoge

Krefeld · Drei zusätzliche Stuhlreihen mussten aufgestellt werden, so groß war der Andrang bei der jüdischen Gemeinde, als am Sonntag Nina Hoger und Ulla van Daelen in der Synagoge an der Wiedstraße zwei Stunden lang Weihnachtsstimmung verbreiteten.

 Nina Hoger (l.) und Ulla van Daelen gelang in der Habima der Synagoge eine glänzend abgestimmte Mischung von Lesung und Musik.

Nina Hoger (l.) und Ulla van Daelen gelang in der Habima der Synagoge eine glänzend abgestimmte Mischung von Lesung und Musik.

Foto: T. Lammertz

In einer glänzend abgestimmten Mischung von Lesung und Musik auf der großen Konzertharfe gelang es den beiden Künstlerinnen, anzurühren ohne ins Rührselige abzugleiten, wenn man vielleicht von der Hoppelpoppel-Geschichte absieht, in der Hans Fallada denn doch ein bisschen dick aufgetragen hat.

Die Harfenistin hatte sich ein Repertoire eigener Kompositionen unterschiedlicher Stilrichtungen und erfrischend neuer Arrangements bekannter Weihnachtsmelodien zurechtgelegt. Die originalen Werke bezogen ihren Reiz aus volksmusikalischen Quellen, der keltischen zum Beispiel, der arabischen, am Ende sogar der japanischen.

Auch die Weihnachtslieder atmeten ein ganz neues Flair. In jeder Hinsicht meisterlich gespielt, schuf van Daelen mit der Heiterkeit ihrer Klänge einen idealen Rahmen für die Texte von Robert Walser, Siegfried von Vegesack, Hanns Dieter Hüsch, Teresa von Avila und anderen. Und Hoger ihrerseits verfügt nicht nur über eine wohlklingende und prima geführt Sprechstimme, sondern bewies auch das rechte Gespür für die literarischen Feinheiten, die die Autoren in ihre Werke gelegt hatten. Da stritten zum Beispiel in einem ironisch gefärbten Gedicht von Fred Endrikat ein Moslem und ein Christ, an welchem Ort das Seelenheil zu finden sei, während sich die Esel, auf denen sie durch die Wüste ritten, über den Unfug dieses Streits einig waren. Nicht minder köstlich Heinrich Bölls Monolog eines bis dato untadeligen Kellners, der einem Kind zu Gefallen eine riesige Dummheit begeht, die Kündigung aber ungerührt hinnimmt, denn zu seiner Zeit wurden gute Kellner noch überall gesucht.

Auf Erich Kästners Text über die Vergeblichkeit des Erlösungsversuchs Jesu Christi folgte Hans Christian Andersens unwiderstehliches Märchen vom Mädchen mit den Schwefelhölzern, und später die Geschichte, an deren Ende eine kleine Natascha "die beste Geschichte" lobt, "die sie je gegessen hatte" - ein Meisterstück, in dem George Tabori resignativen Sarkasmus mit entwaffnendem Surrealismus besiegte.

Und auch van Daelen hatte noch ein besonders Juwel in petto. Diesmal nicht so heiter, aber ganz wunderbar interpretiert: "Maria durch ein Dornwald ging".

(RP)
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