Krefeld ARD-Chef - zerrissen zwischen Helau und Alaaf

Krefeld · ARD-Chefredakteur Rainald Becker ist neuer Steckenpferdritter der Prinzengarde. Becker ist Krefelder und karnevalistisch gesehen eine tragische Existenz: Vater Kölner, Mutter Düsseldorferin - ein Leben zwischen Helau und Alaaf. Die Verleihung der Steckenpferdritter- würde zeigt: Et hätt noch mal jot jejange.

 "Ich habe bei der Kölnischen Rundschau in einer Session 45 Karnevalsvereine besucht und darüber berichtet. Seitdem bin ich karnevalsgeschädigt": Rainald Becker, diesjähriger Steckenpferdritter der Prinzengarde, über einen Aspekt seiner karnevalistischen Sozialisation.

"Ich habe bei der Kölnischen Rundschau in einer Session 45 Karnevalsvereine besucht und darüber berichtet. Seitdem bin ich karnevalsgeschädigt": Rainald Becker, diesjähriger Steckenpferdritter der Prinzengarde, über einen Aspekt seiner karnevalistischen Sozialisation.

Foto: dpa

Krefelds neuer Steckenpferdritter ist, karnevalistisch gesehen und verortet in rheinischer Geografie, eine zerrissene Existenz: "Ich bin ein Spaltungskind", sagt Rainald Becker über sich "Vater Kölner, Mutter Düsseldorferin. Das hieß im Grunde genommen ein Leben zwischen Helau und Alaaf - und zwar von Anfang an." Seine Jugend in Krefeld mag eine Kompromisslösung gewesen sein: Man lebte linksrheinisch, also im Prinzip dort, wo der Kölner Karneval zu Hause ist, rief aber das Düsseldorfer Helau. Jedenfalls: Es ging noch mal gut mit dem Spaltungskind.

Rainald Becker, Jahrgang 59, zählt heute zu den bekanntesten und profiliertesten Journalisten Deutschlands. Er ist Krefelder, war Schüler am Fabritianum und hat seine beeindruckende Laufbahn mit einem Umweg begonnen, der - wie manche Umwege so sind - sicher nicht geschadet hat. Es gab eine Phase in seiner Schulzeit, in der er erbärmliche Noten nach Hause gebracht hat - "eine Phase anhaltender Erfolglosigkeit, wie das mein Vater ausdrückte", so Becker. "Irgendwann hatten meine Eltern auf gut Deutsch gesagt die Schnauze voll und haben mich vom Gymnasium genommen", berichtet er. Wie das? "Ich hatte viele andere Dinge im Kopf, vor allem Sport." Er hat Leichtathletik bei Bayer Uerdingen betrieben, "für kurze Zeit habe ich auch mit Jürgen Hingsen trainiert" - also mit Deutschlands erfolgreichstem und bekanntestem Zehnkämpfer. Sport jedenfalls machte zu viel Spaß, Schule rückte in den Hintergrund - "mit den Noten", resümiert Becker, "war das so eine Sache".Die Eltern jedenfalls empfahlen dem Jungen, der dies und das im Kopf und mit Schule zu wenig am Hut hatte, nachdrücklich eine Lehre; er ging vom Gymnasium ab und begann eine Ausbildung als Kfz-Mechaniker. "Ich habe also was Anständiges gelernt", sagt Becker. So ging er auch eine Weile auf die Berufsschule Glockenspitz.

Dabei blieb es bekanntlich nicht. Irgendwann reifte dann doch der Gedanke, dass er nicht sein Leben mit Autos verbringen wollte. Er machte das Abitur nach, studierte Sozialwissenschaften, Politik und katholische Theologie. Dazu kamen erste Schritte im Journalismus. Seine Begabung muss sich rasch gezeigt haben: So erhielt er ein Stipendium einer katholischen Journalistenschule. Schon während des Studiums arbeitete er beim WDR. Becker machte auch Zeitungserfahrungen - sie führten ihn zurück zu seinen Wurzeln väterlicherseits: nach Köln. Becker hat "eine komplette Karnevalssession" bei der Kölnischen Rundschau hospitiert. "Die haben mich von November bis Februar in den Karneval geschickt", berichtet er, "ich habe in dieser Zeit 45 Karnevalsvereine besucht und darüber berichtet. Seitdem bin ich karnevalsgeschädigt." Er hat auch bei der NGZ in Neuss gearbeitet - die Zeit dort war härter, sagt er, "die haben mich zu den Schützen geschickt". Der große Karnevalist sei er nicht, resümiert er heute; "aber ich lasse sich gerne mal mitreißen, von der Feierlaune, von den Jecken, und vor allem aber natürlich von der Narrenfreiheit! Und so war das wohl auch in meiner Jugendzeit: Karneval in Köln war das ein oder andere Mal sicherlich ein Highlight in meiner Jugend im Rheinland."

So gestählt mit Basiswissen über die Lebensart des rheinischen Menschen, startete Becker eine Laufbahn, die ihn schließlich nach Berlin führte. Zunächst arbeitete er beim Süddeutschen Rundfunk, war dort zuständig für Innenpolitik und Auslandsberichterstattung, wurde Auslandskorrespondent, unter anderem für die arabische Welt, berichtete über den ersten Golfkrieg. 1999 wechselte er ins ARD-Studio nach Berlin, wurde später Leiter der Weltspiegel-Redaktion im Südwestrundfunk. Von 2009 bis 2016 war er stellvertretender Studioleiter und Chefredakteur im ARD-Hauptstadtstudio, 2016 wurde er Chefredakteur der ARD sowie ARD-Koordinator für Politik, Gesellschaft und Kultur in der ARD-Programmdirektion München. Wer ihn heute anrufen will, muss daher eine Münchener Nummer wählen.

Wie kam er überhaupt zum Journalismus? "Deutsch war immer mein Lieblingsfach, schreiben konnte ich auch immer, und auf den Mund gefallen war ich auch nicht, so kam dann eins zum anderen", lautet die Antwort. Und wie steht es um das Verhältnis von Politik und Humor? "Das Schwierigste ist es, in der Politik den Humor nicht zu verlieren", sagt Becker, "ich glaube, das ist mir halbwegs gelungen."

Womit die karnevalistische Grundausbildung abgeschlossen wäre. Der Ritterschlag zum Steckenpferdritter ist nur konsequent. "Karneval", sagt Becker, "steckt wohl in jedem Niederrheiner irgendwie drin. Ein Leben lang."

Die Verleihung des närrischen Steckenpferdes ist am Mittwoch, 10. Januar, 20 Uhr, im Seidenweberhaus. Laudator ist Aachens Bischof Helmut Dieser, Steckenpferdritter von 2017.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort