Hans-Hennig Von Grünberg "Auch kleine Handwerksbetriebe müssen digital werden"

Krefeld · Krefelds Hochschulpräsident leitet heute eine bundesweit ausgerichtete Fachkonferenz in Berlin zum Thema Digitalisierung in Unternehmen. Er sagt: Kleine und mittlere Unternehmen sind oft zu träge.

 "Der springende Punkt ist, dass die Mentalität und Erwartungshaltung des Kunden sich beschleunigt ändert": Prof. Dr. Hans-Hennig von Grünberg, Präsident der Hochschule Niederrhein, über Digitalisierung in Unternehmen.

"Der springende Punkt ist, dass die Mentalität und Erwartungshaltung des Kunden sich beschleunigt ändert": Prof. Dr. Hans-Hennig von Grünberg, Präsident der Hochschule Niederrhein, über Digitalisierung in Unternehmen.

Foto: T.L.

Die Hochschule Niederrhein ist Mitveranstalter der heute stattfindenden zweiten "Transferkonferenz" in Berlin mit dem Titel "Regionaler Transfer 4.0: Digitalisierung und Innovation für den Mittelstand". Organisiert wird die Konferenz von der Hochschulallianz für den Mittelstand, deren Vorsitzender Krefelds Hochschulpräsident Hans-Hennig von Grünberg ist. Die hochkarätig besetzte Konferenz beschäftigt sich mit der Frage der Digitalisierungs- und Innovationsfähigkeit kleiner und mittlerer Unternehmen und der Möglichkeit, dies durch Hochschulen voranzutreiben. Wir sprachen mit von Grünberg über die Ziele der Konferenz.

Alle reden von Digitalisierung. Welche Themen gehören unbedingt auf die Agenda?

Grünberg Die Tatsache, dass die digitale Transformation grundlegend die Art und Weise ändert, wie Innovationsprozesse ablaufen. Während man bis dato mit dem Begriff Innovation immer die Optimierung eines Produktes meinte, hat man in Zeiten von Industrie 4.0 Innovationen als einen offenen Prozess zu verstehen, in dem Sinne, dass man sie am Nutzer und seinen Bedürfnissen auszurichten hat. Konkret: Unternehmen können ihre Produkte und Dienstleistungen zukünftig auf ihre Kunden hin zuschneiden, können sie aufgrund der gesammelten Daten zielgenau ansprechen und Nutzererfahrungen in den Innovationsprozess mit einschleusen. Diese Entwicklung beeinflusst auch die bisherige Arbeitsteilung zwischen Wissenschaft und Wirtschaft im Innovationssystem.

Wo liegen konkret die Defizite in Unternehmen?

Grünberg Dass man dort oft zu träge und langsam auf sich ändernde Rahmenbedingungen reagiert. Man erkennt zwar einen Trend, reagiert aber erst, wenn er auch wirklich im eigenen Unternehmen angekommen ist. Dann ist es oft zu spät. Das gilt beispielsweise bei den Themen Fachkräftemangel, e-commerce und jetzt auch bei der sich abzeichnenden Systemänderung im Innovationsgeschehen.

Müssen auch kleine Handwerksbetriebe digital werden?

Grünberg Eindeutig ja. Der springende Punkt ist, dass die Mentalität und Erwartungshaltung des Kunden sich beschleunigt ändert. Man wird schon in wenigen Jahren kein Verständnis mehr dafür haben, dass man einem Handwerksunternehmen nicht auch online Aufträge geben kann. Jeder, wirklich jeder, der irgendwie mit Kunden zu tun hat, muss sich jetzt möglichst umfassend digitalisieren. Auch, weil solche Umstellungen immer Vorlaufzeiten haben, die keinesfalls länger ausfallen dürfen als die Zeiträume, über die hinweg sich die Erwartungshaltung der Kunden ändert.

Steht bei kleinen Betrieben der Aufwand von Investitionen in Digitalisierung der Abläufe in Relation zu den dann zu erwartenden Effekten, oder ist Digitalisierung auch ein Schlagwort von Verkäufern, die Betrieben teure Computer und teure Software verkaufen?

Grünberg Sicherlich wird man Beispiele finden von Fällen, wo das Wort "Digitalisierung" missbräuchlich als inhaltsleere Marketingphrase verwendet wird. Das gibt es immer. Aber wer das dann als Argument verwendet, um sich vor anstehenden Investitionen zu drücken, wird das als Unternehmen nicht lange überleben. Jeder prüfe sich doch bitte selbst in Hinsicht auf die Selbstverständlichkeit und Häufigkeit, mit der man in seinem täglichen Leben auf das Netz zurückzugreifen sich gewöhnt hat. Was haben wir uns doch in den letzten zehn Jahren diesbezüglich verändert! Man muss als Unternehmen jetzt darauf reagieren, und zwar schleunigst und mit allem Nachdruck.

Wie kann eine Hochschule wie die Hochschule Niederrhein Digitalisierungs- und Innovationsfähigkeit kleiner und mittlerer Unternehmen vorantreiben?

Grünberg Ich träume von einer Hochschule in ihrer Region, die wirklich als zentrale Schaltstelle, Ideen aus Unternehmen aufgreift, bearbeitet, Probleme löst, Anregungen gibt, Entwicklungen vorantreibt und dann an die Unternehmen zurückgibt. Oder wenn sie da keine Expertise hat, dann zumindest Verbünde formt, Finanzierungen einwirbt, Projekte verwaltet und Leute zusammenholt, die für die Region und im Dienste der Unternehmen in der Region Wissen aus Wirtschaft und Wissenschaft zusammenbringt. Das geht. Und wir sind längst dabei, es aufzubauen.

(RP)
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