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Krefeld Aus dem Leben einer Nordmanntanne

Krefeld · Bis zu 15 Jahre dauert es, bis ein Nordmanntännchen zu einem Weihnachtsbaum herangewachsen ist. Auf dem Hof der Familie Schmitz an der Oberbenrader Straße werden seit 23 Jahren Bäume großgezogen - und es gab viel zu lernen dabei.

 Dieses Nordmännchen ist sieben Jahre alt; es steht im dritten Jahr in der Schonung des Hofes von Familie Schmitz. Nordmanntannen wachsen langsam - es dauert zwölf bis 15 Jahre, bis sie hoch genug sind, um als Weihnachtsbaum geschlagen zu werden. In den ersten Jahren wachsen Nordmanntannen besonders langsam.

Dieses Nordmännchen ist sieben Jahre alt; es steht im dritten Jahr in der Schonung des Hofes von Familie Schmitz. Nordmanntannen wachsen langsam - es dauert zwölf bis 15 Jahre, bis sie hoch genug sind, um als Weihnachtsbaum geschlagen zu werden. In den ersten Jahren wachsen Nordmanntannen besonders langsam.

Foto: Thomas Lammertz

Der Weg zum Hof der Familie Schmitz ist berückend: Die Oberbenrader Straße vereint Hofanlagen, die trutzig sind und schön, wie es nur Backsteingebäude sein können: Die Wände erzählen von Leben und Wärme und dem Ackerboden, der uns aller Digitalisierung zum Trotz am Ende ernährt. Die Mauern dieser Höfe sind oft genug noch aus dem Boden gemacht, auf dem sie stehen. So auch der Hof der Familie Schmitz, der im Jahr 1904 errichtet wurde. Das Stück Land, auf dem heute Nordmanntannen stehen, ist abgesenkt: Dort wurde um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert der Lehm abgebaut und zu Ziegeln gebrannt, aus dem die Hofanlage gebaut wurde. Nordmanntannen also. Seit 23 Jahren pflanzt Familie Schmitz neben anderen Früchten des Feldes wie Kartoffeln, Weizen, Gerste und Zuckerrüben auch Weihnachtsbäume an. Heute sind es aus schließlich Nordmanntannen, weil sie vor allem nachgefragt werden. "Die Blaufichte ist eingebrochen, die Kiefer ist schon lange weg", resümiert Jan Schmitz, Junior-Chef auf dem Hof, den er zusammen mit seinen Eltern betreibt.

Die Vorteile kennt jeder: Nordmanntannen sehen länger frisch aus, sie nadeln weniger und pieksen nicht. "Der Baum lebt in dem Moment, in dem er gefällt wird, vor allem von der Feuchtigkeit, die in der Pflanze steckt", sagt Schmitz - und die Nordmanntanne kommt mit dieser Lage am besten und am längsten klar. Wie schwierig ist es, Nordmanntannen anzupflanzen? Setzling rein und fertig? Mitnichten. Die Schmitzens haben nun 23 Jahre Erfahrung, und Erfahrung meint auch Erfahrung. Erfahrung eins: der Samen. "Nordmanntannen kommen im Prinzip mit vielen Böden klar; dennoch gibt es Unterschiede", erläutert Schmitz. Der Hof bezieht mittlerweile einen bestimmten Samentyp aus dem Kaukasus, der hier im niederrheinischen Boden gut gedeiht. Es hat Zeit gebraucht für diese Entscheidung, denn man sieht immer erst nach fünf, sechs Jahren, ob es einem Bäumchen gut geht auf niederrheinischem Boden.

 Jan Schmitz neben einer zehn Jahre alten Nordmanntanne. Die Tannen kommen als drei bis vier Jahre alte Setzlinge aus der Baumschule auf den Hof der Familie Schmitz.

Jan Schmitz neben einer zehn Jahre alten Nordmanntanne. Die Tannen kommen als drei bis vier Jahre alte Setzlinge aus der Baumschule auf den Hof der Familie Schmitz.

Foto: Lammertz Thomas

Erfahrung Nummer zwei: die Abstände der Setzlinge. Setzt man die Pflänzchen zu eng, treiben die Äste zu wenig aus; setzt man sie zu weit auseinander, werden sie so ausladend, dass sie in kein Wohnzimmer mehr passen. "Die Leute wollen schön gestufte, aber nicht zu breite Bäume", erläutert Schmitz. Den richtigen Abstand zu finden brauchte auch Zeit: "Wir haben in den 23 Jahren, seitdem wir Weihnachtsbäume produzieren, die Abstände drei- bis viermal geändert." So etwas steht in keinem Lehrbuch; Erfahrung ist hier alles.

Erfahrung Nummer drei: die Folgen des Frosts. Für die jungen Tannen ist vor allem Spätfrost problematisch, wenn die Triebe schon voller Saft sind. "Wenn es im Mai noch friert gibt, verlieren wir ein Wachstumsjahr", sagt Schmitz - bei der ohnehin relativ langen Aufwuchsphase ist das betriebswirtschaftlich ein Problem. Die Lösung: Die jungen Bäume werden mit Frostschutzberegnung vor später Kälte geschützt. Der Wasserfilm auf der Pflanze verhindert, dass die Triebe gefrieren. "Das haben wir von den Obstbauern übernommen", erläutert Schmitz - er kennt als Gärtnermeister die Bedürfnisse der Pflanzen ebenso wie die Techniken zu ihrem Schutz.

 Dieser nette Strohkerl weist auf den Hof der Familie Schmitz an der Oberbenrader Straße 167 hin; die Internetadresse lautet weihnachtsbaum-krefeld.de

Dieser nette Strohkerl weist auf den Hof der Familie Schmitz an der Oberbenrader Straße 167 hin; die Internetadresse lautet weihnachtsbaum-krefeld.de

Foto: Lammertz Thomas

Erfahrung Nummer vier: die Baumpflege. Während des jahrelangen Wachstums werden die Bäume beschnitten, vor Krankheiten und Pilzbefall geschützt und mit einer Spezialzange so behandelt, dass eine schöne Spitze wächst. Mit der Zange wird die Rinde unter dem oberen Äste-Kranz sanft eingedrückt; dadurch wird der Saftstrom nach oben und damit das Wachstum gehemmt. Die Spitze wächst nicht zu weit in die Höhe, und es bilden sich auch keine neuen Astverzweigungen. Der Umgang mit der Zange will gelernt sein: Drückt man zu fest, stirbt die Spitze ab, drückt man zu lasch, wächst die Spitze eben doch zu. "Irgendwann hat man es raus", sagt Schmitz lächelnd. Wieder ist Erfahrung alles.

Auch wenn alles glückt, bleibt die Spitze ein heikler, verwundbarer Punkt: "Wenn sich ein Vogel draufsetzt und sie abknickt, ist der Baum im Prinzip wertlos", sagt Schmitz. Der schöne, aufrechte Abschluss des Baumes ist den meisten Leuten eben doch sehr wichtig.

 Eine Schonung mit Bäumchen, die noch zehn Jahre Zeit zum Wachsen haben; die Bäumchen werden "auf Endmaß" gepflanzt, das heißt so, dass sie acht bis zehn Jahre bis zum Fällen so wachsen können.

Eine Schonung mit Bäumchen, die noch zehn Jahre Zeit zum Wachsen haben; die Bäumchen werden "auf Endmaß" gepflanzt, das heißt so, dass sie acht bis zehn Jahre bis zum Fällen so wachsen können.

Foto: Lammertz Thomas

So stecken in einer Nordmanntanne viel Erfahrung, jahrelange Arbeit und etwas Glück - daher auch der etwas höhere Preis. Ein Weihnachtsbaum von zwei bis 2,50 Meter Höhe ist zwölf bis 15 Jahre alt, bis er reif wird für Weihnachten - je nach klimatischen Bedingungen in den Jahren des Wachstums. Und die werden immer unberechenbarer. Das Jahr 2016 etwa war von Extremwetterlagen geprägt, von Starkregen und Temperaturextremen.

Den Wert des Baumes wissen die Kunden von Familie Schmitz durchaus zu schätzen - solche Wertschätzung ist gar Teil des Einkaufserlebnisses. Familien mit Kindern suchen den Baum aus, sehen, wo er gewachsen ist, und sind dabei, wenn er gefällt wird. Das Ganze wird von vielen sehr bewusst als Teil der Vorweihnachtsfreude zelebriert und eben auch als kleine Verbeugung vor Mutter Natur.

Boden, Luft, Klima - davon hängen wir Innenraummenschen nun mal doch ab. Man vergisst es manchmal, weil Obst und Gemüse so selbstverständlich ganzjährig im Supermarkt liegen, dass manche Kinder schon denken, Äpfel wachsen auf Regalen. Tun sie aber nicht. So mag der Weihnachtsbaum ja auch ein Anlass sein für eine stille Erntedank-Minute in der stillen, heiligen Nacht.

(RP)
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