Krefeld Autoren erforschen Krefelds Toleranz

Krefeld · Ein Rückblick auf die Amtszeit Gregor Kathstedes, Schicksale aus dem Ersten Weltkrieg und verblüffende Blicke auf Krefelds Toleranzgeschichte sind nur einige Themen im neuen Krefelder Jahrbuch "die Heimat".

 Heimat-Kundige: Burkhard Ostrowski, Oberbürgermeister Frank Meyer, Christoph Dautermann und Robert Claßen bei der Vorstellung des "Heimat"-Bandes im dicht mit Menschen besetzten "Theater hintenlinks".

Heimat-Kundige: Burkhard Ostrowski, Oberbürgermeister Frank Meyer, Christoph Dautermann und Robert Claßen bei der Vorstellung des "Heimat"-Bandes im dicht mit Menschen besetzten "Theater hintenlinks".

Foto: Lammertz

Rund 120 geladene Gäste drängten sich im Aufführungssaal des Kleinsttheaters "hintenlinks" in der alten "Im Brahm"-Brotfabrik, als der Verein für Heimatkunde den neuesten Band des Krefelder Jahrbuches, "die Heimat" vorstellte. Nach einer lockeren Begrüßung durch Theaterchefin Anouschka Gutowski rückte der Star des Abends, der Band 86 des seit 1921 erscheinenden Krefelder Jahrbuches ins Zentrum, dem diesmal eine DVD mit den Fotos aller 50 Krefelder Kirchen beiliegt. "Mit dem Rückgang der Glaubensbindung wird sich in Krefeld auch die Zahl der Kirchen verringern", erwartet Vereinsvorsitzender Robert Claßen. "Mit den Kirchen geht Krefeld etwas Prägendes verloren." Bürger, die unveröffentlichtes Material über Krefelder Kirchen besäßen, sollten dies dem Heimatkunde-Verein zur Verfügung stellen.

Die Fotos von sieben sehr unterschiedlichen Krefelder 'Gebäuden' schmücken das Titelbild der über 200 Seiten umfassenden Ausgabe der "Heimat". Wer sich für Krefeld interessiert, erhält Einblick in politische, denkmalpflegerische, stadtkulturelle, künstlerische, private, religiöse und sportliche Ansichten der Stadt, in der er lebt. Für die Schriftleiter Christoph Dautermann und Burkhard Ostrowski verband Dautermann eine Erklärung der Titelseite mit vorsichtiger Kritik: "Das Titelblatt soll den nicht gerade erfreulichen Zustand einiger Krefelder Gebäude zeigen. Es ist schön hier in Krefeld, aber sicher ist noch einiges zu tun."

Jens Voß, Leiter der Krefelder Redaktion der Rheinischen Post, führte die Reihe der sechs Autoren an, die in Kurzreferaten ihre Beiträge vorstellten. Sein Thema: ein Rückblick auf die Amtszeit von Oberbürgermeister Gregor Kathstede, auf politische Höhen und Tiefen. Zu den bleibenden Leistungen Kathstedes zählte er die von ihm politisch durchgesetzte Privatisierung des Klinikums und seinen Beitrag bei der Sanierung des Turms der Dionysiuskirche.

Christoph Dautermann hat über ein Phänomen gearbeitet, auf das sich die Krefelder bis heute etwas einbilden: die Toleranz. Dautermanns verblüffendes Ergebnis: Toleranzdenken war in Krefeld lange von der Obrigkeit verordnet und ist erst nach und nach ins Bewusstsein der Leute gerückt. Wie brüchig dieses Denken war, hat auf beklemmende Weise Claudia Flümann in ihrem Vortrag ausgeführt. Sie berichtete über die Verdrängung jüdischer Unternehmer aus dem Krefelder Wirtschaftsleben während der Nazizeit - sie hat darüber gerade ein fabelhaftes Buch veröffentlicht (". . . doch nicht bei uns in Krefeld!", Klartext-Verlag; wir berichteten). Ein fiktives kritisches Interview mit Mies van der Rohe von Jürgen Monderkamp, zwei Aufsätze zu der Lage Krefelds im Ersten Weltkrieg von Daniela Gillner und Christoph Reichmann und viele andere Beiträge ergeben wieder ein facettenreiches Bild der Entwicklung Krefelds.

Der Band 86/2015 ist im Buchhandel und im Stadtarchiv zum Preis von 20,80 Euro erhältlich.

(oes)
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