Kaiser-Wilhelm-Museum Krefeld Beginn einer neuen Ära - Katia Baudin ins Amt eingeführt

Krefeld · Der Empfang atmete historische Weite ebenso wie pure Freude am Kommenden: am Freitagabend wurde Katia Baudin (48) in ihr Amt als Leiterin des Kaiser-Wilhelm-Museums eingeführt. Sie ist die sechste Person im Amt, wenn man die Nazizeit außen vor lässt.

 "Eine wunderbare große Freude": Katia Baudin, Leiterin des Kaiser-Wilhelm-Museums, über ihre neue Aufgabe in Krefeld. Im Hintergrund Oberbürgermeister Frank Meyer

"Eine wunderbare große Freude": Katia Baudin, Leiterin des Kaiser-Wilhelm-Museums, über ihre neue Aufgabe in Krefeld. Im Hintergrund Oberbürgermeister Frank Meyer

Foto: Lammertz

Die Gretchenfrage der vergangenen Wochen - wie hältst du's mit der Öffnung des Karlsplatzes - spielte keine Rolle, zu Recht, denn diese Debatte wird in der Geschichte des Kaiser-Wilhelm-Museums (KWM) Fußnote bleiben. Als gestern Katia Baudin als neue KWM-Leiterin in ihr Amt eingeführt wurde, erinnerte Oberbürgermeister Frank Meyer daran, dass Baudin bislang gerade einmal fünf Vorgänger hatte, die unter den Bedingungen der Freiheit (die Nazi-Zeit also außen vor gelassen) das Museum geführt haben. "Wer die Krefelder Kunstmuseen leitet, hat die Chance, vielleicht den Auftrag und die Mission, eine neue Ära zu prägen", sagte Meyer dann auch an die Adresse von Baudin.

Krefeld hat mit ihr eine Persönlichkeit gewonnen, die ihrem Lebenlauf nach das Haus ebenso adelt wie das Haus sie. Geboren in Frankreich, aufgewachsen in New York, Studium und erste berufliche Erfahrungen in Frankreich, dann in Köln Vize-Chefin am Museum Ludwig: Baudin ist ein Weltenbummler der Kunst.

Meyer zeigte feines sprachliches Gespür, als er sagte, der Begriff Grenzgänger sei für Baudin nicht passend. Stimmt, das klingt nach Krise, Anstrengung und Schiffbruch; Baudin aber strahlt Unbefangenheit, Freude und Neugier aus. Sie verbinde, sagte Meyer über sie, "deutsche Zielstrebigkeit, amerikanische Offenheit und französischen Charme". Und Charme ist eine nicht zu unterschätzende Gabe im kommunalen Miteinander, wo es bekanntlich nicht immer nur um den Geist der Weltkunst, sondern schnell schon mal um 200 Meter Umweg für Autos geht. Baudin hielt dann prompt keine schwere programmatische Rede, sie startete eine Charmeoffensive. Krefeld sei eine "wunderschöne Stadt", "bundesweit 1a in Willkommenskultur und Herzlichkeit"; die Verbindung von klassizistischem KWM und der Bauhaus-Avantgarde Haus Lange/ Haus Esters sei "die schönste Museumskonstellation in Deutschland" - "so viel Potenzial, so viel zu machen, darauf freue ich mich". Auch privat lebe sie mittlerweile mit ihrer Tochter in Krefeld, der die Musikschule zur zweiten Heimat geworden sei - "Köln", sagte sie lachend, "vermissen wir gar nicht". Heiterkeit im Saal, würde es an dieser Stelle im Protokoll heißen; "ich hoffe", sagte Baudin gleich hinterher, "es sind nicht so viele Kollegen aus Köln da". Charme kriegt so etwas hin: eine augenzwinkernde Liebeserklärung an die neue Stadt, ohne die alte zu verletzen.

Spürbar war, dass Baudin die kunsthandwerkliche und die Design-Tradition, die Anbindung an Wirtschaft und Industrie, die ja auch zur KWM-Historie gehört, nicht als Unfall der Geschichte betrachtet, der von hoher Kunst ablenkt, sondern als Chance, Kunst und das Museum zu öffnen zur Bürgerschaft und zum Leben in der Stadt. In einer Formulierung zeigte sie, dass sie nichts von hohepriesterlicher Abgeschlossenheit hält: Es gehe bei Museen und ihrer Ausstrahlung nach außen auch darum, "den Alltag zu verschönern". Begegnung mit Kunst, so darf man ergänzen, muss also nicht immer verstören - man darf auch mal besser gelaunt aus einem Museum herauskommen, als man hineingegangen ist.

Baudin sprach von Dialog, Experimentierfreude, dem gemeinsamen Gelingen des Projekts Museum, das sie als Plattform und Katalysator der Begegnung sieht. Als Gewährsleute unter ihren Vorgängern nannte sie den ersten KWM-Leiter Friedrich Deneken, der mit dem Kauf eines Monets einen Skandal auslöste, und Paul Wember, der den Weltruf des KWM als Haus der Avantgarde begründete und auch einen Skandal nach dem anderen auslöste; Skandale freilich, die den Ruhm des KWM bis heute prägen.

Was das alles konkret bedeutet und wie Baudins Handschrift als Ausstellerin ist, wird man an ihrer ersten eigenen Ausstellung sehen. Sie wird für Herbst 2017 erwartet.

(RP)
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