Krefeld Besitzerwechsel im Linner Café Konkurs

Krefeld · Hubert Jeck begann seine Zeit als Wirt der Linner Jugend- und Szenekneipe "Café Konkurs" in der abklingenden 68 - Zeit.Nun hat er die Kneipe in jüngere Hände gegeben, ist aber immer noch ökologisch und künstlerisch interessiert.

 Hubert Jeck, der als Wirt der Kneipe 32 Jahre ein unverwechselbares Gesicht gegeben hatte, hatte sich mit dem Eintritt des Rentenalters entschlossen, dem anstrengenden Wirtedasein den Rücken zu kehren.

Hubert Jeck, der als Wirt der Kneipe 32 Jahre ein unverwechselbares Gesicht gegeben hatte, hatte sich mit dem Eintritt des Rentenalters entschlossen, dem anstrengenden Wirtedasein den Rücken zu kehren.

Foto: Lothar Strücken

Jetzt ist es amtlich. Die weithin bekannte Linner Szenekneipe "Café Konkurs" wechselt den Besitzer. Hubert Jeck, der als Wirt der Kneipe 32 Jahre ein unverwechselbares Gesicht gegeben hatte, hatte sich mit dem Eintritt des Rentenalters entschlossen, dem anstrengenden Wirtedasein den Rücken zu kehren, zumal sein Engagement im Linner Bürgerverein - er gibt für den Verein die "Linner Bürgerpost" heraus - immer zeitaufwendiger wurde. Mit Oliver Foncken fand der scheidende Wirt einen Liebhaber des alten Hauses, das vor 200 Jahren einmal eine Scheune war. Dem gebürtigen Linner Foncken war das imposante Haus in der Issumer Straße 8 so vertraut, dass er es allen anderen Angeboten vorzog. Inzwischen hat Foncken die Kneipe weitgehend renoviert und will sie in einem anderen Stil weiterführen. An jedem ersten Wochenende eines Monats wird aber auch Hubert, wie ihn in Linn jeder nur bei seinem Vornamen anspricht, mit seinem alten Team, das er liebevoll "meine sieben Zwerge" nennt, das Café Konkurs führen.

Vor 35 Jahren übernahm Hubert Jeck das Amt des Jugendwartes der Handballabteilung des Turnvereins Burgfried Linn. Dem aktiven Sportler, der als Maschinenbautechniker bei Siempelkamp arbeitete, war bekannt, dass gerade die Handballer nach harten Spielen exzessiv feierten. Das wollte der neue Jugendwart ein wenig deckeln. Statt der Kneipe zog die Jugendmannschaft für ihre Treffen in einen gepachteten Garten. Als dieser nicht mehr zur Verfügung stand und Hubert nach einer jugendgerechten Ersatzlösung suchte, machte ihn der Archivar des Linner Schützenvereins Charly Foncken auf die leerstehende Kneipe in der Issumer Straße aufmerksam. Das war die Lösung! Er kaufte das alte Gebäude und renovierte es zusammen mit den Jugendlichen. Die alten Spielautomaten warf er hinaus, schaffte Spiele wie Dart an und sorgte dafür, dass das Wasser nur halb so viel kostete wie ein Glas Bier. Spirituosen verteuerte er künstlich. Die Jugendlichen zogen ihre Freunde nach, und so war die Kneipe immer brechend voll, der Umsatz aber mäßig, denn man konnte dort mit dem Konsum eines einzigen Glases Wasser den Tag verbringen. So begann man in Linn zu tuscheln: In spätestens einem halben Jahr sei der Hubert pleite. Noch immer hatte die neue Jugendkneipe keinen Namen. Den schlug vor dem Hintergrund des Linner Getuschels ein Mädchen vor: "Wie wär´s mit Café Konkurs?"

Als Hubert spürte, dass die Doppelbelastung von Beruf und Wirtshobby auf Dauer an die Substanz ging, wählte er das Café Konkurs zu seinem Hauptberuf, zumal er nun auch junge Erwachsene als Gäste begrüßen konnte. Diese hatte die neue, sehr attraktive und offenherzige Bedienung Jutta angelockt. "Bei uns gab es immer saubere Aschenbecher, da Jutta immer wieder gebeten wurde, die Aschenbecher am Tisch auszuwechseln. Alle wollten einen Blick auf die hübsche Frau werfen", erzählt Hubert.

Der Gedanke, die Welt vor einer schlimmen Entwicklung bewahren zu müssen, hat Hubert nie verlassen. Der idealistische Kämpfer für eine saubere Umwelt besaß den einzigen atomwaffenfreien Garten in Linn. Dass er dies auf einem großen Transparent auch kundtat, werfen ihm alte Linner heute noch vor. Später kehrte er seiner Kneipe den Rücken, um in der Linner Albert-Steeger-Straße im Rahmen einer Kooperative einen Bio-Laden zu führen. Mit 55 Jahren kam er wieder ins Café Konkurs zurück, da eine Kneipe nun mal von der Persönlichkeit ihres Wirtes lebt.

In der Innenstadt-Kultkneipe "Blauer Engel" lernte Hubert die Design-Studentinnen Bärbel Busch und Mauga Houba-Hausherr kennen. Die aus Oberschlesien stammende Mauga erzählte, dass man in Polen in ähnlichen Kneipen wie dem Café Konkurs "Treffen mit einem interessanten Menschen" mache, einer Art Vorläufer heutiger Talk-Shows. Hubert war fasziniert und übernahm diese Idee für seine Kneipe. Beide Studentinnen übernahmen im monatlichen Wechsel die Vorbereitung und Durchführung der Veranstaltung. Wie bei Kunstschaffenden üblich, fiel die Auswahl der vorgestellten interessanten Menschen oft genug schrill aus: ein "Leseautomat", der erst nach dem Einwurf eines Markstücks eine Passage aus eigenen Werken las, Travestie-Künstler, Alkoholiker und andere lösten sich mit Malern und Literaten ab. Die Veranstaltungen verliefen nie langweilig, und das Café Konkurs wurde über Krefelds Stadtgrenzen hinweg bekannt. Als erster Wirt in Krefeld öffnete Hubert seine Kneipe auch am Heiligabend. "Die Zeiten haben sich geändert. Heute haben viele Kneipen an diesem Tag geöffnet. Vor allem der Scheinheiligabend genannte Vorabend ist beinahe wie Karneval", urteilt er.

Um mehr Schwung in das alte denkmalgeschützte Kneipengemäuer zu bringen, gaben Bärbel und Mauga den alten Wänden des Schankraumes mit einer damals noch ungewohnten speziellen Wischtechnik in vielen Rottönen ein künstlerisches Update und propagierten Huberts neue Reihe "Rahmenwechsel", in der sich noch unbekannte Künstler mit ihren Werken der Öffentlichkeit präsentierten. Neben dem Bürgerverein wird Huberts neues Rentnerdasein von seinem Garten beansprucht, der aber nicht mehr atomwaffenfrei sein soll.

(oes)
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