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Joseph-Beuys-Platz in Krefeld Besser Wember-Platz vor dem Museum?

Krefeld · Ein bisschen ist es wie mit Angela Merkel: Alle paar Jahre kommt ein Buch heraus, das nahelegt, es habe etwas grundstürzend Neues zu erzählen.

Soll, muss der Museumsvorplatz nach dem jüngsten Beuys-Buch doch nicht nach Beuys benannt werden?

Nun also hat Hans-Peter Riegel eine Biografie, besser: eine Streitschrift, unter dem Titel "Beuys. Die Biographie" vorgelegt, der "Spiegel" stellt sie vor — und die Krefelder FDP fordert, den Platz vor dem Kaiser-Wilhelm-Museum nicht, wie beschlossen, Joseph-Beuys-Platz zu benennen, sondern Paul-Wember-Platz nach dem Museumsleiter, der das Kaiser-Wilhelm-Museum großgemacht hat.

Das Buch, so berichtet der "Spiegel", stelle Beuys als "Anthroposophen mit Tendenz zu völkischen Ansichten" dar. Das Blatt resümiert demnach: "Beuys, der vor allem mit seinen Arbeiten mit Fett und Filz bekannt wurde, umgab sich mit auffallend vielen Altnazis und anderen Unverbesserlichen."

Neu ist der Vorwurf, Beuys habe fatale Nähe zu den Nazis gehabt, nicht. In Krefeld ist er zuletzt im August 2012 im Zusammenhang mit dem Kunsthistoriker Ron Manheim diskutiert worden. Manheim, der pikanterweise lange Jahre stellvertretender künstlerischer Leiter des Museums Schloss Moyland war, will bei Beuys antisemitische Tendenzen entdeckt haben und beschwor dessen "dunkle Seiten". Beuys habe Dinge geäußert, die revanchistischen Charakter hätten und Nähe zu nazistischem Gedankengut erkennen ließen — Manheims Belege dafür waren eher dünn; er will demnächst dazu ein Buch vorlegen. Unterm Strich appellierte Manheim an die Stadt Krefeld, den Museumsvorplatz nicht nach Beuys zu benennen.

Das wohl bekannteste Buch über Beuys' Leben ist "Flieger, Filz und Vaterland. Eine erweiterte Beuys-Biografie", 1996 von Frank Giseke und Albert Markert herausgebracht. Dort wurde Beuys' Behauptung, er sei nach einem Flugzeugabsturz von Tataren gesundgepflegt worden, als Lüge entlarvt. Auch Giseke und Markert stellten die These auf, Beuys' Kunst sei von rechtslastigem Gedankengut durchdrungen. Der Schweizer Kunsthistoriker Beat Wyss nannte Beuys dann 2008 in einem Essay in der Kunstzeitschrift "Monopol" kurzerhand "den ewigen Hitlerjungen".

Beuys, so Wyss' These, habe sich nie ganz von Ideen und Symbolen getrennt, die ihm in seiner Jugend von Nationalsozialisten eingeimpft worden seien. Dass Beuys naziaffin war, belegt für Kritiker auch der Umstand, dass er begeisterter Anhänger der Hitlerjugend und des Krieges gewesen sei, der sich 1941 als Abiturient freiwillig zur Luftwaffe gemeldet hatte.

Die Wahrheit über Beuys' Legende von der wundersamen Heilung bei den Tataren ist längst rekonstruiert — und schlicht in Krankenakten nachzulesen. Demnach wurde Beuys vom 17. März bis zum 7. April 1944 im mobilen Feldlazarett 179 gepflegt. Zwischen dem Absturz am 16. März und der Einlieferung am 17. März lagen mithin nicht zwölf Tage bei Tataren, sondern maximal vierundzwanzig Stunden.

Kunsthistoriker wie der jetzige KWM-Leiter Martin Hentschel verteidigen die Legendenbildung des Künstlers: Nicht alles an Beuys' Geschichte sei unwahr und seine Art des Erzählens "Teil seiner Künstlerexistenz", hatte Hentschel in der Debatte um die Anwürfe von Ron Manheim im RP-Interview gesagt. Die Tataren-Geschichte sei "ein typischer Ursprungsmythos. Hier ist es eine typische Saulus-Paulus Geschichte: Der Bomber-Pilot wird geläutert, weil er von den potenziellen Opfern gepflegt wird. Beuys will damit keine Historie erzählen, er liefert vielmehr einen Ansatz zum Verständnis seines Werks."

Für Hentschel ist klar, dass alle Versuche, Beuys als verkappten Nazi oder künstlerischen Scharlatan moralisch oder ästhetisch zu diffamieren, verpuffen: "Wenn Beuys ein Scharlatan wäre, dann hätten sich nicht weltweit so viele kluge Köpfe mit ihm befasst und Lebenszeit in die Erforschung seines Werkes investiert. Man muss schon — noch mal: weltweit — eine Menge Forscher für inkompetent erklären, wenn man jetzt ernsthaft fragt, ob Beuys wirklich einer der Großen unserer Zeit ist."

(RP/rl)
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