Krefeld Brandbrief der Schulleiter an das Land

Krefeld · In der Krefelder Lehrerschaft gärt es: Die Schulen befürchten, absolut unzureichend auf die "Inklusion" (die Aufnahme Behinderter an Regelschulen) vorbereitet zu werden. In einem Brief erläutern sie der Landesregierung ihre Sorgen.

 "Mit großem Erschrecken haben wir zur Kenntnis nehmen müssen, dass in wesentlichen Teilen des Gesetzentwurfes Maßnahmen vorgesehen sind, die nur als Sparmaßnahmen bezeichnet werden können und die dem Recht aller Kinder auf individuelle Förderung in Schule diametral entgegenstehen": Gesamtschulleiter Jochen Adrian, der den Brief an die Landesregierung stellvertretend für alle Krefelder Schulsprecher unterzeichnet hat.

"Mit großem Erschrecken haben wir zur Kenntnis nehmen müssen, dass in wesentlichen Teilen des Gesetzentwurfes Maßnahmen vorgesehen sind, die nur als Sparmaßnahmen bezeichnet werden können und die dem Recht aller Kinder auf individuelle Förderung in Schule diametral entgegenstehen": Gesamtschulleiter Jochen Adrian, der den Brief an die Landesregierung stellvertretend für alle Krefelder Schulsprecher unterzeichnet hat.

Foto: T.L.

Praktisch die komplette Krefelder Lehrerschaft, repräsentiert durch die Sprecher aller Schulformen, hat in einem Brief an die rot-grüne Landesregierung massiv den Entwurf zum 9. Schulrechtsänderungsgesetz des Landes kritisiert und bemängelt, dass die dort offenbar geplante Vorbereitung der Schulen auf die Inklusion — also die Aufnahme behinderter Schüler in die Regelschulen — absolut unzureichend sei.

"Mit großem Erschrecken haben wir zur Kenntnis nehmen müssen, dass in wesentlichen Teilen des Gesetzentwurfes Maßnahmen vorgesehen sind, die nur als Sparmaßnahmen bezeichnet werden können und die dem Recht aller Kinder auf individuelle Förderung in Schule diametral entgegenstehen. Inklusion ist nicht zum Nulltarif zu haben!", heißt es in dem Schreiben, das stellvertretend von Jochen Adrian, Leiter der Gesamtschule Kaiserplatz, unterzeichnet ist. "Wenn unsere Kritik keine Berücksichtigung findet, wird die Inklusion eine Mogelpackung", sagte Adrian gestern unserer Zeitung.

Der Krefelder CDU-Landtagsabgeordnete Winfried Schittges hat den Schulleitern gestern Unterstützung signalisiert. Mit Blick auf die von Rot-Grün geplante Reform hätten ihm "nicht wenige Eltern behinderter Kinder" berichtet, dass "sie über die Perspektive einer baldigen Schließung von Förderschulen, die zweifellos die Konsequenz einer Umsetzung des Konzepts der Landesregierung wäre, überaus betrübt sind".

Viele der Betroffenen wünschten sich weiterhin eine Beschulung ihrer Kinder in Fördereinrichtungen, "weil sie wissen, dass man sich dort — im Übrigen bestärkt durch die Erfahrungen vieler Jahrzehnte — optimal um Kinder mit Behinderung kümmern und ihnen eine adäquate Unterstützung gewähren kann", hob Schittges hervor. Im Zusammenhang mit seinen Funktionen beim Landschaftsverband Rheinland habe er "eine Vielzahl von Fördereinrichtungen" besucht und dabei "stets den Eindruck gewonnen, dass sich die dort betreuten Kinder und Jugendlichen gerne in ihren Schulen aufhalten und sich dort wohlfühlen".

In dem Schreiben der Krefelder Schulleiter wird die Befürchtung geäußert, dass sich der Status bei der Betreuung behinderter Kinder massiv verschlechtere — in dem Brief heißt es dazu: "Damit Kinder und Jugendliche mit Förder- bzw. Unterstützungsbedarf, aber auch die Kinder ohne besondere Förderbedarfe, die jedoch zukünftig mit den anderen Kindern gemeinsam die Schule besuchen werden, erfolgreich individuell gefördert werden können, müssen verbesserte Ressourcen räumlicher, personeller und sächlicher Art vorgesehen werden. Stattdessen sieht der Gesetzentwurf ausschließlich Einschränkungen vor. Deshalb fordern wir Sie im Sinne aller Kinder und Jugendlichen dringend auf, alle Veränderungen aus dem Gesetzentwurf zu streichen, die eine Verschlechterung des zurzeit geltenden Status bedeuten."

Bemängelt wird im Einzelnen: — der Fortfall der Möglichkeit, integrative Lerngruppen bilden zu können; dadurch werde ein Förderhopping für die Lehrkräfte provoziert und Häppchenförderung für die Schüler, weil die Sonderpädagogen nur noch wenige Stunden mit einzelnen Kindern verbringen können; — der Wegfall des Stellenzuschlags von 0,1 Stelle pro Förderschüler und die damit verbundene Erhöhung des Klassenfrequenzwertes; — die geplante Budgetierung von Sonderpädagogenstunden ohne Rücksicht auf den Bedarf; — dass diese Anträge nur noch bis zum Ende der Klasse 6 gestellt werden dürfen; — dass die Grundschulen bis zum Ende der 3. Klasse abwarten müssen, ehe solche Anträge gestellt werden dürfen und dass dadurch die Förderbedarfsfeststellung auf das 4. bis 6. Schuljahr begrenzt wird; — dass die Kompetenzzentren bzw. Förderschulen als Ansprechpartner durch die Festlegung von Mindestschülerzahlen de facto aus der Schullandschaft verschwinden.

Zusätzlich fordert die Krefelder Lehrerschaft an Regelschulen "dringend", dass die Kollegien fortgebildet werden — "und zwar flächendeckend".

(RP/rl)
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