Krefeld Bundestagspräsident Lammert in der Friedenskirche

Krefeld · Der CDU-Politiker über Deutschland und die Situation in Europa: "Staatliche Souveränität gibt es in Zeiten der Globalisierung nicht mehr".

 Norbert Lammert in der Veranstaltungsreihe Stand.Punkt: "Wir haben bessere Voraussetzung als irgendeine andere Generation vor uns."

Norbert Lammert in der Veranstaltungsreihe Stand.Punkt: "Wir haben bessere Voraussetzung als irgendeine andere Generation vor uns."

Foto: T. Lammertz

Mit der Einladung von Norbert Lammert ist den Initiatoren der Veranstaltungsreihe "Stand.Punkt" erneut ein kulturpolitisches Glanzlicht gelungen. Auf Initiative von Wolfgang van Randenborgh und Pfarrer Michael Windhövel referierte der Bundestagspräsident in der Friedenskirche über "Deutschland und die Situation in Europa". Seine Kernbotschaft zur Lösung aller aktuellen gesellschaftspolitischen und wirtschaftspolitischen Herausforderungen lautete "Wir haben bessere Voraussetzung als irgendeine andere Generation vor uns."

Vor dem Hintergrund einer historischen Einordnung zum 70. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs und dem 25. Jahrestag der Wiedervereinigung lobte Lammert Europa als größtes Friedensprojekt und erfolgreichstes Freiheitsmodell auf diesem Globus. "Wir leben alle in einem absolut historischen Ausnahmezustand. Bessere Verhältnisse als wir sie heute in Deutschland und Europa erleben, hat es auf diesem Kontinent nie gegeben. Und bessere Voraussetzungen, um Probleme zu lösen, auch nicht." Was den unter 25-Jährigen auf Grund ihrer Biografie wie ein "Normalzustand der Geschichte" vorkomme, sei ein Zustand, der zu früheren Zeiten der Geschichte "schier undenkbar" gewesen. Lammert erklärte, nirgends könne er Probleme erkennen, die "größer oder neuer" seien, als die, mit denen sich einst Adenauer konfrontiert sah.

Einzigartig sei der große politische Integrationsprozess, in dem nach zwei Weltkriegen Europa als Kontinent zusammenwachse. Es habe einen Zerfall von autoritären Systemen gegeben, und man habe nicht nur gemeinsam einen Markt mit 500 Millionen Konsumenten geschaffen, sondern auch eine politische Union gegründet, in der Deutschland seine nationale Einheit wiedererlangt habe. Gemessen daran, vor welchen politischen, wirtschaftlichen und moralischen Aufgaben Adenauer 1948 als Präsident des aus 78 Mitgliedern bestehenden damaligen Parlamentarischen Rates gestanden habe "erscheint mir die heutige Diskussion der aktuellen Herausforderungen gelegentlich kleinmütig."

Lammert lobte ausdrücklich das "Europäische Projekt" in den Zeiten der Globalisierung. "Die Europäische Union ist der mit Abstand intelligenteste, anspruchsvollste und auch komplizierteste Versuch einer Antwort auf den Verlust staatlicher Souveränität in den Zeiten der Globalisierung." Staatliche Souveränität gebe es in Zeiten der Globalisierung nicht mehr, und aktuell würden sich die verschiedenen Staaten auf dieser Welt nicht darin unterscheiden, ob die einen souverän sind und die anderen nicht; sondern darin, "dass die einen begriffen haben, dass sie nicht mehr souverän sind, und die anderen, die das immer noch nicht wahrhaben wollen", so Lammert.

Die zur Zeit beklagten rückläufigen Wahlbeteiligung werte er mit Blick auf den europäischen Vergleich als "normal". Mehr Sorge bereite ihm, die fehlende Bereitschaft sich in Parteien zu organisieren. "Wir haben in Deutschland in allen demokratischen Parteien zusammen ganze 1,5 Millionen Mitglieder. Der ADAC mit seinen herausragenden Reputationen hat 19 Millionen Mitglieder." Das lege ein kleinwenig die Frage nahe, ob den Deutschen tatsächlich ihr Auto wichtiger sei als die Europäische Union.

(RP)
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